Herkulesaufgabe/Travaux d’Hercule
Johannes Reinhard, Präsident des Eidgenössischen Orchesterverbands EOV, beantwortet die Fragen der Schweizer Musikzeitung zu Corona.
Johannes Reinhard, Präsident des Eidgenössischen Orchesterverbands EOV, beantwortet die Fragen der Schweizer Musikzeitung.
Wie geht es Ihnen und dem EOV nach diesem Jahr?
Für den Eidgenössischen Orchesterverband war es ein sehr intensives Jahr, welches uns stark gefordert hat. Die physische Delegiertenversammlung, die ein grosser Event mit tollen Musik-Workshops geworden wäre, musste verschoben und am Ende abgesagt werden. Innert kurzer Zeit musste eine Ersatzlösung für die statutarischen Geschäfte gefunden werden. Weiter war der EOV massgeblich am sehr rasch aufgegleisten Aufbau der Bundeshilfen für Laienvereine beteiligt. Dann gab es deutlich mehr Anfragen von Mitgliedsorchestern zu beantworten als sonst. Es war spürbar, dass im EOV-Vorstand die Rädchen ineinandergreifen und der Verband als Ganzes funktioniert. Dies vor allem dank meinen sehr engagierten und flexiblen Vorstandsmitgliedern, die einen grossen Job gemacht haben!
Mir persönlich geht es gut. Da ich als Geologe viel draussen auf Baustellen bin, war ich von den verfügten Einschränkungen (z. B. Homeoffice-Pflicht) weniger betroffen und konnte zumindest beruflich weitgehend im gewohnten Rahmen weiterfahren.
Was ist für Sie besonders einschneidend an der Corona-Zeit?
Wie alle Musikerinnen und Musiker war ich natürlich stark betrübt, quasi von einem Tag auf den anderen das Musizieren in Gruppen aufgeben zu müssen. Und auch alle Besuche von Konzerten unserer Mitgliedsorchester fielen ja aus. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich am 3. März in der Tonhalle Maag ein Orchesterkonzert besuchte. Dort spielte ein Amateurorchester u.a. Strauss’ Heldenleben. Die Programmierung hätte Potenzial für einen vollen Saal gehabt. Doch die grosse Holzhalle war zu nur etwas mehr als einem Drittel gefüllt und man begrüsste sich nach Bekanntwerden der ersten Corona-Fälle auch in der Schweiz bereits mit einer gewissen Skepsis.
Und dann folgte eine lange Pause. Keine Konzerte mehr, einfach nichts. Als ich dann Mitte September nach 192 (!) Tagen zum ersten Mal wieder ein Konzert besuchte (das Thuner Stadtorchester spielte mit Alexandre Dubach Mendelssohns berühmtes Violinkonzert und Beethovens Pastorale), war ich total ergriffen von der Intensität des Liveerlebnisses und mir rannen am Ende Tränen der Rührung über die Wangen.
Wie verändert die Corona-Zeit Ihrer Meinung nach den Musikerberuf und Ihren Verband?
Zu den langfristigen Auswirkungen der Corona-Zeit auf den Musikerberuf kann ich noch nicht viel sagen. Sicher hat uns jedoch die Krise die ökonomische Vulnerabilität der Sicher hat uns jedoch die Krise die ökonomische Vulnerabilität der Berufsmusikerinnen und -musiker noch stärker als bisher vor Augen geführt noch stärker als bisher vor Augen geführt. Besonders bei den Freischaffenden existiert da ein problematisches Prekariat. Da fehlen vielerorts die sozialen Absicherungen, und wenn dann die gewohnten Veranstaltungen und Konzerte nicht stattfinden können, drohen diese Menschen abzustürzen wie Artisten vom Seil, bei denen ein Auffangnetz fehlt.
Unser Verband wurde im letzten Jahr teilweise zu einschneidenden Entscheiden gezwungen. Meiner Ansicht nach ist der EOV an der schwierigen Situation gewachsen und hat sich eine Agilität zugelegt, die ich vorher so nicht kannte. Wir haben sicher nicht alles richtig gemacht, aber uns nach bestem Wissen und Gewissen mit der Situation arrangiert.
Welche Frage möchten Sie dem Bundesrat stellen oder was wünschen Sie sich von ihm, damit die Musikszene wieder auflebt?
Ich stehe voll und ganz hinter den verfügten Massnahmen, auch wenn sie unser Amateurmusizieren zeitweise vollständig lahmlegten. Ich finde, der Bundesrat hat bisher sehr gute Arbeit geleistet und uns vernünftig durch die Krise navigiert. Es bringt nichts, Öffnungen zu erzwingen, die kurze Zeit später wieder einen umso heftigeren Rückschlag zur Folge haben. Allerdings muss, wer A sagt, auch B sagen. Dies bedeutet, wenn die Kultur nicht mehr stattfinden darf, braucht es soziale Auffangnetze für die Betroffenen. Und obwohl in diesem Bereich schon vieles aufgegleist wurde, gibt es noch einiges zu tun. Ich wünsche mir vom Bundesrat, dass er die Existenzen der Kulturschaffenden nachhaltig sichert. Denn die Kultur ist ebenso wichtig in unserem Leben wie die «Wirtschaft»!