Freiheit – im Plural neu betrachtet

Die zweite Version von Patrick Franks Theorieoper «Freiheit – die eutopische Gesellschaft», wird am 13. Februar in der Zürcher Gessnerallee gegeben.

Wer die Website von Patrick Frank besucht (www.patrickfrank.de), der bekommt erste Eindrücke: Es geht offenbar nicht nur um einen Komponisten, sondern auch um einen Kulturwissenschaftler. Franks Medium ist Musik, dazu kommt, dass er in Zürich den einzigen analogen Fotoautomaten der Schweiz betreibt, dass er Vorträge über gesellschaftliche Themen hält, ironische Werbeclips macht, aber auch umfassende Musiktheater und Konzertinstallationen konzipiert wie eben Freiheit – die eutopische Gesellschaft.

Der Komplex ist untertitelt mit «Kuratorenkomposition und Theorieoper». Patrick Frank sagt, dass es sich um eine «Konzeption verschiedener Disziplinen unter einem Dach» handle, ferner um so etwas wie eine «Kulturdiagnose in Form eines Happenings, einer Performance, eines Konzertsymposions». Begriffe bringen nicht immer alles auf den Punkt. Gerade heute nicht, wo nicht mehr klar ist, was linke oder rechte Haltungen sind oder was man unter «Freiheit» verstehen soll. Kann der beredte Komponist und Kulturwissenschaftler da helfen? Für Frank ist Freiheit erstmal eine ziemlich ambivalente Kategorie – und offenkundig eine sehr aktuelle: siehe Flüchtlingsströme, siehe Erstarkung des Rechtspopulismus, siehe in der Schweiz die Perversion des vermeintlichen Allheilmittels Demokratie ins Antidemokratische.

Mauerfall als Höhepunkt
Frank ist nicht naiv. Er weiss, dass seine Kunst weder Revolutionen auslösen noch Widerstand fördern kann. Eines aber kann sie: Diagnosen geben von gesellschaftlichen Zuständen. Im ersten Akt, so Frank, «gehen wir davon aus, dass Freiheit eine Utopie war und für Freiheit gekämpft wurde. Es gab zahlreiche Freiheitsrevolutionen im 19. Jahrhundert. Freiheit war also noch keine gesellschaftliche Realität. Wir untersuchten also die Frage, wie die westliche Kultur den Wert ‹Freiheit› interpretiert und allmählich realisiert hat. Das grosse Ereignis, was schliesslich die vermeintliche Realisation von Freiheit auch massenmedial wirksam machte, war der Mauerfall und der Fall des ideologischen Gegners ‹Kommunismus›.»

Solche Thesen erinnern an das Buch Das Ende der Geschichte des amerikanischen Politikwissenschaftlers Francis Fukuyama. Frank aber schafft in seiner theorielastigen Kunst besonders einprägsame Konstellationen. Per Video eingeblendet singt David Hasselhoff Looking for Freedom an der gefallenen Berliner Mauer, dazu rekapituliert ein Sprecher die Ereignisse am 11. September, davor gab es Erwägungen übers Wesen der Postmoderne. Der Komplexität und Widersprüchlichkeit des Themas entspricht der Charakter eines Kollektivwerks mit Beiträgen anderer Komponisten und Philosophen. «Mir war es wichtig», sagt Frank, «verschiedene Geister mit dem Thema Freiheit zu konfrontieren. Was dann schliesslich daraus resultiert, das war für mich selber eine Überraschung und eine Uraufführung. Genau das habe ich beabsichtigt, da das Thema ‹Freiheit› auch für mich längst nicht zu Ende gedacht ist.»

Mit Psychoanalyse und Kulturkritik
Folgerichtig ist für Frank auch sein Projekt nicht abgeschlossen. Mit überwiegend positiver Resonanz kam Freiheit – die eutopische Gesellschaft in einer ersten Version im Rahmen der Donaueschinger Musiktage im Oktober 2015 zur Aufführung. In der Gessnerallee Zürich wird der Komplex in einer zweiten Fassung mit veränderter Besetzung und anderer Dramaturgie am 13. Februar gegeben. Neben den Komponisten Martin Schüttler und Trond Reinholdtsen konnte Slavoj Žižek gewonnen werden. Er gilt als ein kontrovers diskutierter Philosoph, der wahlweise der Psychoanalyse oder der Kulturkritik zugerechnet wird. Žižek passt gut zu diesem ereignisreichen Abend, der auf alle Fälle eines bewirken dürfte: Er weicht so manche viel zu oft verknotete Gehirnwindung auf.