Musikalische Aktivitäten im Altersheim

Konzerte zu den Festen im Jahreslauf, Improvisationskurse, Aufnahmen, Musiktherapie: Anlässe, Musik in den Heimalltag einzubeziehen, gibt es viele.

Das Interesse älterer Menschen für die Musik bleibt äusserst lebendig, und weil sich ihre Ansprüche im Laufe der Zeit verändern, scheint es mir unmöglich, dass man sich langweilt, wenn man in einer Senioreneinrichtung arbeitet. Als Musiktherapeutin erfahre ich es aber als unumgänglich, sowohl die Inhalte wie die Formen kontinuierlich zu erneuern. Im Seniorenheim Mont-Calme in Lausanne setzte die Leitung von Anfang an auf ein Animations-Team aus den verschiedenen Kunstsparten. Für die Musik sind wir zu zweit: der Schlagzeuger Jacques Lambelet und ich als Therapeutin.

Unser höchstes Ziel besteht darin, unsere Leidenschaft einzubringen, die Bewohnerinnen und Bewohner sollen uns dazu «benutzen», ihre persönliche Beziehung zur Musik aufrechtzuerhalten und neue Formen der Annäherung kennenzulernen. Dies entweder direkt, durch eigenes Spielen, oder eher intellektuell, durch Ateliers, die ihnen Werke, Künstler oder Musikstile aus aller Welt näherbringen. Dazu kommen einfache Momente des Zusammenfindens beim Chorsingen, bei Konzerten oder Festen. Und nicht zuletzt natürlich die Musiktherapie, die den Ausdruck des eigenen Wesens unterstützt. Hier soll es jedoch nicht um die therapeutischen Momente gehen, sondern um die musikalischen, die sich in unserem Heim erleben lassen.

Ein Marionettentheater

2008 nahmen wir uns ein übergreifendes soziokulturelles Projekt vor: eine Aufführung mit lebensgrossen Marionetten, die in unserem Mal- und Nähatelier entstanden. Die Schreibgruppe verfasste die Geschichte. Die Musik sollte darin allgegenwärtig sein und als gemeinsames Werk aus Improvisationen der Bewohnerinnen und Bewohner hervorgehen. Jacques Lambelet und ich stellten also einfach zu spielende Instrumente im Musikatelier auf: Marimbafone, Balafone, Djembes, Glocken, Schlagzeuge, Tambourine. Dann durchkämmten wir die Korridore, um einige Motivierte zum Improvisieren zu finden. «Aber, ich kann nicht spielen» oder «Dazu bin ich zu alt» bekamen wir oft zu hören. Schliesslich aber auch «Na ja, wenn es euch eine Freude macht» oder «Interessieren tut mich das schon». Und es funktionierte: Jeweils fünf bis sechs Bewohnerinnen und Bewohner spielten anderthalb Stunden, ohne ein Wort zu sagen, und wir nahmen das Ganze auf. Diese Stunden waren geprägt von Blickwechseln, Ermutigung, Entzücken, dem Finden oder Wiederfinden musikalischer Kompetenzen. Alle verliessen den Raum am Ende voller Energie, Herr S. war so beflügelt von den Rhythmen, dass sich der Rollstuhl für den Rückweg als überflüssig erwies. Auch das Resultat war verblüffend: völlig unterschiedliche musikalische Stimmungen, aus denen wir Ausschnitte zur Begleitung der verschiedenen Szenen auswählen konnten.

Bei dieser Gelegenheit habe ich auch begriffen, was unsere Arbeit im Heim eigentlich ausmacht: Es geht nicht darum, die Menschen in irgendeiner Richtung anzuregen, sondern sie  zu stärken, mit ihnen zusammenzusein und gemeinsame Erfahrungen zu machen, von Mensch zu Mensch.

Eine CD und ein Festival

2011 folgte ein anderer musikalischer Höhepunkt: unsere erste eigene CD. Eine langwierige Produktion fand darin ihren Abschluss. Woche für Woche nahmen wir Bewohner und Mitarbeiter mit ihren Darbietungen auf, hatten technische und organisatorische Schwierigkeiten zu meistern. Für einige war es ein Anstoss, sich wieder ans Spielen zu machen, für andere, einmal etwas ganz Neues zu wagen. Welch ein Stolz, die CD am Schluss zu präsentieren …

2012 stand unser Heim während 48 Stunden ganz im Zeichen der Musik. Wir hatten uns vorgenommen, das Haus den Besucherinnen und Besuchern als Ort voller klingenden Lebens vorzustellen. Überall fanden Darbietung im jeweils dazu passenden Raum statt: Körperperformance in einem unserer Bäder, tibetanische Klangschalen ertönten im Wohlfühl-Bereich, Gospel im Andachtsraum, eine Werkstatt Malen und Musik natürlich im Malatelier. Ein Höhepunkt für mich war, als die musizierenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Bewohner in Frack und Abendkleid weckten – natürlich mit Musik: Perkussion, Gesang, Akkordeon, Cello. Die Reaktionen waren überraschend vielfältig: Lächeln, Lachen, Tränen, Gleichgültigkeit, aufmerksames Zuhören, Mitsummen.

Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass die positiven Reaktionen auf solch punktuelle Musikereignisse sich auch aus den Beziehungen ergeben, die in den intimeren Begegnungen mit der Musik, zum Beispiel in der Musiktherapie, aufgebaut werden.