Festivalleiter – eine Karriere im Bluenote-Fieber
Seit 20 Jahren leiten Serge und Francine Wintsch das Festival JazzOnze+ in Lausanne. Wie erleben sie ihre ebenso anstrengende wie anregende Aufgabe?
Seit 20 Jahren leiten Serge und Francine Wintsch das Festival JazzOnze+ in Lausanne. Wie erleben sie ihre ebenso anstrengende wie anregende Aufgabe?
Es gibt keine Ausbildung für angehende Leiterinnen und Leiter eines Festivals. Die meisten lernen es, während sie schon leidenschaftlich an der Arbeit sind, wie Serge und Francine Wintsch. Ihre Verbundenheit mit ihrem Festival ist eine Art Liebesgeschichte. Mit glänzenden Augen erzählen sie vom Programm, das sie für die diesjährige Ausgabe im Herbst zusammengestellt haben, für vier Abende mit rund zehn Konzerten.
Ihre ersten Karriereschritte waren für die jetzige Aufgabe sehr nützlich: Francine ist gelernte Typografin und war für die Werbung einer grossen Firma zuständig. Serge war Chef eines Architekturbüros, und er ist auch Musiker. Um zu spielen, musste er oft selbst organisieren: Auftrittsmöglichkeit suchen, Mitspieler zusammentrommeln, sich um Honorare und Mahlzeiten kümmern. Als sie sich begegneten, wurden sie ganz selbstverständlich zu einem Duo von «Musikereignis-Fabrikanten». Blieb nur, ein Betätigungsfeld zu finden, das sich bald in der Leitung des Festivals Onze+ auftat. Dieses war von einer Gruppe von Lausanner Musiker zur Förderung zeitgenössischer improvisierter Musik gegründet worden.
Tourneegestaltung
Die Programmgestaltung ist die Schlüsselaufgabe eines Festivaldirektors. Als die Wintschs «ihr» Festival übernahmen, war das Programm radikal. «Wir wollten zwar mit aufregenden und aufstrebenden Künstlern weitermachen, wussten aber auch, dass es bekannte Namen braucht.» Die Lösung ist – wie bei so vielen anderen Festivals – eine Mischung aus sicheren Werten und Experimenten.
Dabei begnügen sich Wintschs nicht mit den Guppen, die ohnehin gerade unterwegs sind. Sie denkten sich ein Idealprogramm aus und stellen nötigenfalls eine Tournee für den gewünschten Künstler zusammen, so dass sich der Auftritt an ihrem Festival bestens einfügt. Manchmal organisieren sie auch eine Vorstellung ausser der Reihe, für die sie eigens Subventionen suchen. Dieses Jahr zum Beispiel eine Hommage à George Gruntz.
Buchhaltung und «Arterhaltung»
Ein Festival organisieren heisst auch Geld auftreiben. Mit einem Budget von einer halben Million ist das JazzOnze+ ein «armes» Festival, das dank einer Truppe von Freiwilligen funktioniert. Wintschs erhalten seit kurzer Zeit eine kleine Entschädigung für ihre Arbeit. Aber was treibt sie an, immer wieder diesen ganzen Aufwand auf sich zu nehmen? «Es ist die Freude, die Musik, die wir lieben, hier zu präsentieren, wo wir leben. Und das Vergnügen, wunderbare Menschen zu treffen.»
Schliesslich gehört auch zur Karriere des Festivalleiters, das Weiterleben seiner Veranstaltung zu sichern. Bei JazzOnze+ erlaubt der freie Eintritt im EspaceJazz, dass auch junge Leute ein Ohr reinstrecken – und des öfteren hängen bleiben. Auf dieser Bühnen hören sie junge Gruppen, deren Musik näher bei aktuellen Trends ist als der Jazz.