Vier Auftragskompositionen zum runden Geburtstag
Das aulos Sinfonisches Blasorchester aus der Schweiz feiert sein 30-jähriges Bestehen und macht sich ein besonderes Geschenk: vier Auftragskompositionen. Nebst drei Werken von Schweizer Komponisten wird im Herbst die «Aulos Symphony» von José Suñer-Oriola uraufgeführt.

Spätestens seit vor zehn Jahren der Niederländer Johan de Meij das aulos bei dessen 20-jährigem Jubiläum musikalisch geleitet hat, ist das Ensemble auch in der europäischen Blasmusikszene bekannt. In den letzten Jahren hat das Orchester mit renommierten Dirigenten wie Ivan Meylemans (2017), José Rafael Pascual-Vilaplana (2012 und 2015) oder Jan van der Roost (2014) zusammengearbeitet und in regelmässigen Abständen eigens für das Orchester komponierte Werke uraufgeführt. Bert Appermont (2011, 2. Sinfonie Golden Age), Thomas Doss (2013, Hornkonzert Gjallarhorn) und Oliver Waespi (2015, Out of Earth) haben für das aulos geschrieben. Nach einer Pause von drei Jahren seit dem letzten Auftragswerk (Olivier Truan 2016, Tubakonzert Second Wind) hat die Leitung des aulos nun die drei Schweizer Komponisten Benedikt Hayoz, Daniel Schnyder und Fabian Künzli beauftragt, je ein Werk von rund 10 Minuten Länge zu komponieren. Doch damit nicht genug. Der zweite Konzertteil enthält ein weiteres Auftragswerk, dessen Titel dem Anlass mehr als gerecht wird. Der Spanier José Suñer Oriola hat seine 4. Sinfonie ganz einfach Aulos Symphony getauft.
Die Entstehung eines Orchesters
José Suñer-Oriola ist einer der vielversprechendsten jungen spanischen Komponisten. Er ist Professor beim städtischen Blasorchester von Valencia und Dirigent des Blasorchesters in Albuixech. Seine Kompositionen werden in vielen Ländern in Europa und Amerika sowie in Australien, Japan und China gespielt.
Wie der Name bereits vermuten lässt, dreht sich Oriolas 4. Sinfonie rund um das aulos – in mindestens zweierlei Hinsicht. Das Hauptthema ist ein Spiel mit den Buchstaben des Wortes «aulos». Auch thematisch hat sich Oriola am Orchester orientiert. Der erste Satz widmet sich der Geburt und der Entwicklung des Orchesters, im zweiten Satz wird die kreative Schaffung von Ideen musikalisch umgesetzt. Nach einem ruhigen dritten Satz steht der Schlusssatz ganz im Zeichen des festlichen Anlasses, für den die Sinfonie geschrieben wurde. Als Hommage an die Herkunft des Orchesters hat der Komponist sogar einen Bezug auf ein traditionelles Schweizer Lied eingebaut.
Das aulos ist ein Projektorchester mit rund 70 Mitgliedern, die sich jährlich für eine Konzerttournee treffen. Das semiprofessionelle Orchester besteht zu rund 70% aus Profimusikern und Musikstudenten. Den grossen finanziellen Aufwand für die aufwendigen Projekte kann das aulos jeweils nur dank der Unterstützung der eigenen Mitglieder und von vielen privaten und öffentlichen Geldgebern stemmen. Für das Jubiläum hat man gar ein Crowdfunding lanciert und so erfolgreich das Geld für Oriolas Sinfonie zusammengebracht. Für die langjährige aulos-Präsidentin, Caroline Krattiger, ist das Ensemble «eine Herzensangelegenheit», wie sie selber sagt. Mit viel Engagement arbeitet sie seit 20 Jahren in der Organisation mit und wirkt seit vielen Jahren auch als Konzertmeisterin. «Ich freue mich sehr auf das doppelte Jubiläum und bin sehr stolz auf die Entwicklung des aulos. Es kommt nicht oft vor, dass ein Blasorchester eine nach ihm benannte Sinfonie uraufführen darf».
Recycling mal anders
Für die aulos-Musikkommission sei es wichtig gewesen, bei der Auswahl der Komponisten für die Auftragskompositionen einen guten Mix zwischen bekannten und unbekannten und gleichzeitig zwischen Schweizer und ausländischen Komponisten zu finden, sagt Caroline Krattiger. Es wurden drei einheimische Künstler mit kürzeren Werken beauftragt und Oriola mit der Sinfonie. Ein aussergewöhnliches Thema für seine Komposition hat sich der Freiburger Benedikt Hayoz einfallen lassen. In seinem rund 10-minütigen Werk Recycling wird, wie der Name vermuten lässt, Musik recycelt. Hayoz nutzt existierende Musik – Musik die er mag und ihn begeistert – als Material um etwas Neues zu schaffen. Die Sequenzen wurden neu arrangiert und in eine neue musikalische Form gegossen. Das Original soll mal mehr besser und mal schlechter erkennbar sein. Der Komponist will mit dem Werk aufzeigen, wie unterschiedliche Musikstile und Charaktere zusammengeführt werden können zu etwas Neuem, das ebenfalls als Einheit wahrgenommen werden kann. Im ersten der beiden Sätze wird ein hochaktuelles Thema behandelt: die Geschwindigkeit der Digitalisierung. Der zweite, ruhigere Satz soll gemäss Hayoz ein Plädoyer für das Konzert darstellen. Hayoz spielt ausserdem mit klanglichen Effekten. So wird er beispielsweise mehrere Klarinettenquartette «off-stage» im Konzertsaal einen Choral spielen lassen.
Zwei weitere Schweizer Kompositionen
Nebst Hayoz haben der junge Komponist Fabian Künzli und der bereits international bekannte Daniel Schnyder ein Werk geschrieben. Letzterer hat sich für ein Tier als Vorlage für sein Auftragswerk entschieden. Der Elephant darin wird durch die tiefen Instrumente repräsentiert. Das Werk ist gemäss Komponist rhythmisch sehr schwer und weist lateinamerikanische und afrikanische Wurzeln auf. Ausserdem erwarten das aulos jazzige Elemente. Der seit vielen Jahren in New York wohnhafte Schnyder ist einer der meistgespielten Schweizer Komponisten seiner Generation. Die Integration verschiedener Musikstile – von Jazz bis Klassik und neuer Musik – ist ein wichtiges Merkmal von Schnyders Schaffen. Im Bereich der Blasinstrumente hat er unter anderem Solo-Konzerte für Bassposaune oder Trompete geschrieben.
Im Vergleich zu Schnyder unbekannt, aber nicht weniger vielversprechend ist der junge Ostschweizer Komponist Fabian Künzli. Er hat eine besondere Verbindung zum aulos, war er doch einige Jahre selbst aktiver Orchestermusiker. In seinem Werk Prism will er die Musik auffächern, ähnlich der Zerlegung des Lichts in einem optischen Prisma. Im Zentrum steht gemäss dem Komponisten die Verwandlung, das Wachsen neuer Ideen aus bestehenden. Ausserdem arbeitet Künzli in seiner Komposition mit Mikrotonalität.
Unter Schweizer Leitung
Nachdem in den letzten Jahren meistens ausländische Gastdirigenten eingeladen wurden, spielt das aulos dieses Jahr unter der Leitung eines Schweizer Dirigenten. «Auch dies war eine bewusste Entscheidung unserer Musikkommission», sagt Caroline Krattiger. «Nach den letzten zehn Jahren mit vielen internationalen Dirigenten wollten wir bewusst ‹back to the roots› und setzen 2019 auf einen Schweizer Dirigenten». Und so wird Blaise Héritier, der das Höchstklasse-Blasorchester aus Siebnen leitet, beim Jubiläum am Dirigentenpult stehen. Er dirigiert zurzeit ebenfalls das Ensemble de Cuivres Jurassien und das Ensemble Vocal EVOCA, einen sinfonischen Chor mit 80 Sängerinnen und Sängern. Héritier ist Präsident der Musikkommission des Schweizer Blasmusikverbandes und widmet sich der Orchestrierung klassischer und zeitgenössischer Werke für Blasinstrumente und Perkussion. 2013 wurde er gar zum Botschafter des Kantons Jura ernannt.
Ebenfalls aus der Schweiz stammt der diesjährige Solist David Rufer (Posaune). Harvest des Amerikaners John Mackey ist zwar das einzige Werk im Konzertprogramm, welches nicht zur Uraufführung kommt, ist aber deswegen nicht weniger erwähnenswert. Es wird in relativ kleiner Besetzung gespielt und handelt von den Mythen und geheimnisvollen Ritualen rund um den griechischen Gott des Weines, Dionysos. Der Thurgauer Rufer ist langjähriges Mitglied im aulos und spielt regelmässig in diversen Schweizer Orchestern wie dem Berner Kammerorchester oder der Sinfonietta Schaffhausen. Er spielte ausserdem unter Pierre Boulez im Orchester der Lucerne Festival Academy.
Nach diesem hochstehenden Konzertprogramm 2019 darf die Szene gespannt sein auf die weitere Entwicklung des aulos. Ziel ist es gemäss Krattiger, auch in Zukunft Kompositionsaufträge vergeben zu können. «Dies ist jedes Mal eine enorme finanzielle Herausforderung für uns», sagt sie. Die Vorfreude auf unvergessliche Konzertmomente entschädige aber für die viele Arbeit. Wir können nur hoffen, dass dieser Antrieb dem Orchester auch in den nächsten 30 Jahren und darüber hinaus erhalten bleibt.
Die Konzerttournee 2019
Das aulos spielt in seinem Jubiläumsjahr vier Konzerte in der ganzen Schweiz.
Die Konzerttournee startet zum Ende der Probewoche in Visperterminen VS (Mehrzweckhalle; Freitag, 4. Oktober um 19:30 Uhr).
Seit bereits 25 Jahren ist das Orchester zu Gast im malerischen Walliser Bergdorf.
Weitere Konzerte:
St. Gallen SG (Tonhalle; Sonntag, 6. Oktober um 17:00 Uhr),
Solothurn SO (Konzertsaal; Samstag, 12. Oktober um 19:00 Uhr) und
Emmen LU (Le Théâtre; Sonntag, 13. Oktober um 17:00 Uhr).
Der Konzerteintritt kostet 30.- Franken, für StudentInnen 25.- Franken. Für KonzertbesucherInnen bis 16 Jahre ist der Eintritt gratis.
Beim Vorverkauf über www.eventfrog.ch wird ein Rabatt von 5.- auf den Ticketpreis gewährt.
Weitere Infos: www.aulos.ch