Neu gestartet

Aus dem Onlinemagazin Norient ist eine Plattform geworden, die aktuelle, vor allem urbane musikalische Phänomene aus allen Kontinenten vorstellt und reflektiert.

Bildschirmfoto Website Norient

Norient kommt das Verdienst zu, die journalistische Aufarbeitung dessen, was man als Weltmusik oder «World Music» bezeichnet, aus der Ecke des Orchideenfachs Ethnomusikologie geholt zu haben. Das Onlinemagazin war bei seiner Gründung vor rund zwanzig Jahren ein notwendiges Statement dagegen, die Folkloren der Welt propagandistisch-nationalistischen Kreisen zu überlassen. Am mitgelieferten Themenraster des Neuauftrittes lässt sich ablesen, dass links-urbane Präferenzen nun noch stärker in den Vordergrund rücken: Der Stichwortkatalog reicht von Aktivismus über Kolonialismus, Gegenkulturen, Ethik, Geschlechterrollen, Queer bis zu Technologie und Klimawandel.

Das Ziel ist laut der Eigendefinition der Plattform «die Unterstützung (sub-)kultureller Diversität, die Ausweitung des Horizonts und die Anregung des Dialoges zwischen Menschen, Kontinenten und Fachrichtungen». Dabei tappt die Plattform allerdings in die Falle der aktivistischen Vermischung von Form und Inhalt: Die Art der Präsentation ist nicht so werttolerant, dass sie die Hoffnung auf Horizontausweitung befördern würde. Die Gestaltung der Seite folgt typisch urban-ideologischen Gestaltungstrends. Das wirkt für Aussenstehende zwar originell, aber verwirrlich, ja chaotisch. Man fühlt sich als Nichteingeweihter ausgeschlossen. Schade, viele Beiträge wären auch für Andersdenkende anregend.

Man kann den Neustart der Seite als Symptom einer globalen Verschiebung der kulturellen Grenzen sehen: weg von einer Kategorisierung in erste und dritte Welt respektive industrialisierte und unterentwickelte Länder, hin zu einem grösser werdenden Graben zwischen traditionellen und grossstädtischen Lebenswelten. Dabei besteht die Gefahr, dass statt der behaupteten Vielfalt wiederum Konformität erzeugt wird. Das Ergebnis ist eine trendig-urbane Ästhetik und Ethik, welche die Kulturszenen der Metropolen überall auf dem Globus austauschbar macht, das demokratische Potenzial der gemächlichen und hoch partizipativen Erneuerungsprozesse lokaler Volkskulturen hingegen mehr und mehr als Hemmschuh betrachtet.

Norient – The Now in Sound

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