«Samson» nach über 170 Jahren uraufgeführt
Joachim Raffs Oper «Samson» kam zu seinem 200. Geburtstag erstmals auf die Bühne. Nun liegt das monumentale Werk auf CD vor.

Erst vor zwei Jahren wurde die 1856 vollendete Oper Samson des 1822 in Lachen/SZ geborenen Komponisten Joachim Raff in Weimar uraufgeführt. Nun hat Graziella Contratto mit ihrem Label Schweizer Fonogramm das mehr als dreistündige Werk in einer aufwendigen, künstlerisch bemerkenswerten Studioproduktion (Aufnahmeleitung: Frédéric Angleraux) samt dreisprachigem Libretto und ausführlichem Einführungstext als Ersteinspielung in Zusammenarbeit mit den Bühnen Bern und der Joachim-Raff-Gesellschaft Lachen vorgelegt. Ob sich die Oper künftig auf der Bühne behaupten kann, mag bezweifelt werden – zu oratorisch ist Raffs Dramaturgie, zu langatmig geraten sind manche Szenen. Musikalisch ist dieses Werk aber auf alle Fälle lohnend mit seiner farbigen Instrumentation, dem direkten Nebeneinander von Klangmassen und Fragilität und den kantablen, anspruchsvollen Solopartien
Als Assistent von Franz Liszt erlebte Raff die Uraufführung von Wagners Lohengrin in Weimar aus nächster Nähe, was ihn zu seiner Oper Samson inspirierte. Den Lohengrin hört man nicht nur am Ende des ersten Aufzugs im Chor «Heil dem Helden von Dan», sondern auch in der anspruchsvollen, hoch liegenden Titelpartie. Magnus Vigilius verbindet lyrischen Schmelz mit grosser Strahlkraft. In einzelnen Passagen wie «So sind zerrissen» fehlt es ein wenig an Flexibilität. Olena Tokar ist eine vielschichtige Delilah, deren reiche Sopranstimme nur in der dramatischen Höhe etwas an Ausgewogenheit verliert. Mit Robin Adams als sich zwischen Selbstbewusstsein und Verzweiflung bewegendem Abimelech, Christian Immler als Oberpriester mit natürlicher Autorität und Michael Weinius als von Delilah verschmähtem Liebhaber Micha ist das gute Solistenensemble komplett.
Dirigent Philippe Bach arbeitet mit dem Berner Symphonieorchester viele lohnende Details heraus, etwa wenn die Klarinette Samson verspottet oder beim Kindertanz in den Flöten eine mendelssohnsche Leichtigkeit entsteht. Die Streicherbegleitung ist griffig, die Blechbläser sorgen für eindrucksvolle szenische Momente wie beim Auftritt des Oberpriesters. Der Chor der Bühnen Bern macht aus dem Volk eine klangschöne, jederzeit zur Eskalation bereite Gemeinschaft, vor der man sich auch fürchten kann.
Joachim Raff: Samson, Musikdrama in drei Abteilungen, Libretto vom Komponisten, Ersteinspielung. Magnus Vigilius, Olena Tokar, Robin Adams, Christian Immler, Michael Weinius, Berner Symphonieorchester, Chor der Bühnen Bern, musikalische Leitung Philippe Bach. 3 CDs, Schweizer Fonogramm.