Ein spätberufener Romantiker

Das Oratorium «Vergehen und Auferstehen» von Fritz Stüssi ist zusammen mit anderen Chorwerken auf CD erschienen. – Ein Dokumentarfilm über den Komponisten ist auf Youtube greifbar.

Fritz Stüssi, undatiertes Foto. Wikimedia commons

Fritz Stüssi (1874–1923) wäre, wie so viele Schweizer Komponisten dieser Generation, längst vergessen, würde sich nicht sein Enkel Ulrich Stüssi mit Enthusiasmus und Engagement für den Vorfahren einsetzen. Stüssi war ein «Zürcher Gewächs», besuchte dort die Musikschule; Lothar Kempter und Fritz Hegar waren seine Lehrer. In Berlin kam später Max Bruch dazu. Von seinem Wohnort Wädenswil aus beherrschte Stüssi die musikalische Landschaft am Zürichsee lange und nachhaltig.

Er hinterliess ein umfangreiches Œuvre, das stark in romantischer Tradition verwurzelt ist. Sein Augenmerk lag vor allem auf kirchlichen Werken wie Kantaten und Motetten. Die Noten werden in der Zentralbibliothek Zürich aufbewahrt.

Als sein bedeutendstes Werk gilt das 1914 in Wädenswil uraufgeführte, rund dreissigminütige Oratorium Vergehen und Auferstehen, das nun bei Claves zusammen mit dem Psalm 28 sowie weiteren kurzen Stücken herausgekommen ist. Ein Dramatiker war Stüssi nicht, vielmehr ein stark in protestantischer Religiosität verankerter Komponist, der sich mutig seinen Vorbildern stellte. So beginnt er sein Oratorium mit «Alles Fleisch ist wie Gras», das Brahms im Deutschen Requiem zu einem der anrührendsten Sätze gemacht hat. Bei Stüssi ist es der Bass, der nach wenigen orchestralen Einleitungstakten mit einem bewegenden Rezitativ beginnt. Das Vorbild Mendelssohn mit dem Elias ist unüberhörbar, der schreitende Duktus erinnert zudem stark an Wagners Parsifal. An den verheissungsvollen Anfang vermag Stüssi aber nur bruchstückweise anzuschliessen.

Über weite Strecken beherrschen die Solisten rezitativisch das Geschehen, was zuweilen etwas gleichförmig wirkt, und dies, obwohl insbesondere die tiefen Stimmen mit Ingeborg Danz (Alt) und Krešimir Stražanac (Bass) formidabel besetzt sind. Grossartig auch, wie die Zürcher Sing-Akademie unter Florian Helgath die Chorpassagen mit hervorragender Gesangskultur zelebriert.

Schade, wird die CD durch weitere kleine Chorstücke in ähnlicher Manier ergänzt, was beim Hören etwas ermüdet. Stüssi hat durchaus auch anderes zu bieten, wie etwa eine c-Moll-Suite, welche das Avalon-Quartett schon gespielt hat.

Red. Einblick in Leben und Werk bietet der dokumentarische Kurzfilm Fritz Stüssi – Wo du hingehst von Esther Kempf und Julia Ann Stüssi, zu sehen auf Youtube. Über 30 der 134 Werke sind digitalisiert und über den Musikverlag Musica Mundana erhältlich.

Fritz Stüssi: A Swiss Romantic. Zürcher Sing-Akademie, Zürcher Kammerphilharmonie, Leitung Florian Helgath. Claves 50-3085

 

Streichung auf Veranlassung von Verena (Mail 12.1.24)

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