Saxofon-Sounds
Auf den aktuellen Alben der Berner Formation Klapparat oder des Komponisten Thomas K. J. Mejer präsentiert sich das Instrument zwischen Improvisation und Grenzbereichen.
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Seinen Siegeszug begann das 1846 patentierte, vom Belgier Adolphe Sax erfundene Saxofon erst mit dem Aufkeimen des Jazz in der US-amerikanischen Musikmetropole New Orleans. In der Folge betitelte es der deutsche Musikkritiker Alfred Baresel bereits 1929 als «wichtigstes Melodie-Instrument des Genres». Zwei neue Veröffentlichungen belegen, dass es längst auch in anderen Bereichen zentral ist.
Die Spur führt zunächst zu Klapparat, die sich 2021 umformiert haben und seither nicht mehr als Sextett, sondern als Quintett mit vier Saxofonen und Schlagzeug unterwegs sind. Ihr aktuelles Album Orbit zeigt auf, dass sich die mehrheitlich aus Bern stammende Formation nicht nur umbesetzt, sondern auch neu ausgerichtet hat: Zwar haben es Klapparat schon früher verstanden, sich mit findigen Improvisationen und grollendem Streetjazz hervorzutun. Jetzt sind sie mit ihrem Schaffen jedoch auf einem neuen Level angelangt. Nicht zuletzt, weil es sich als kluger Schachzug erwiesen hat, ihren Sound mittels eines Tubax – ein Basssaxofon – anzureichern. Dieses sorgt für besonders tiefe Töne, und zwar solche, die knarren und brummen. Das Resultat sind Tracks wie Lydische Leiden, das sich zwischen Elegischem und Vertracktem austobt, oder auch wie Abendlicht, das sich nach und nach als Drama zu erkennen gibt. Zu den weiteren Highlights zählen das freimütig swingende Part 3 und Fields – eine feinschichtige Nummer, die mit kontinuierlich variierenden Stimmungsbildern aufzutrumpfen weiss. Songs wie die genannten verdeutlichen, dass Klapparat mit Orbit ein verspieltes, dynamisches und zugleich innovatives Werk gelungen ist.
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Im Vergleich dazu präsentieren sich die aus der Feder von Thomas K. J. Mejer stammenden Saxofonquartette als schnörkellos und geradezu spröde. Dessen elf Stücke, dargeboten von den vier Saxofonistinnen Silke Strahl, Vera Wahl, Eva-Maria Karbacher und Manuela Villiger, sind kantig und setzen auf Klänge, die rhythmisch komplex und herausfordernd sind. Während Sulpizianische Bilderwelt I–IV mit Einwürfen kokettiert, die sich als leichtfüssig, lustvoll und kapriziös erweisen, setzt das nachfolgende Dark Snow Falls upon the Bagpipers auf vier identische Altsaxofone. Aus ihrem Zusammenspiel ergibt sich jedoch nicht etwa Konformes, sondern ein Kaleidoskop an filigranen Geräuschen, welche die Fantasie anregen und diverse Bilder zu evozieren vermögen. Mal erinnern diese an klappernde Schreibmaschinen, mal an Alphörner im Morgengrauen. Die dargebotenen Sounds, die sich im Grenzbereich zwischen Neuer Musik und Jazz tummeln, schmiegen sich nicht unbedingt ins Ohr, doch sie bescheren vertiefte Einblicke in eine zerklüftete Klangwelt. Wer sich gebührend Zeit für diese Musik nimmt, wird unweigerlich zum Schluss gelangen, dass sich eine Auseinandersetzung lohnt, denn: Hier lebt und lodert die Kreativität.
Saxofonquartette von Thomas K. J. Mejer: Uneven Same. Manuela Villiger, Eva-Maria Karbacher, Vera Wahl, Silke Strahl, Saxofone. Wide Ear Records WER065
Klapparat (Daniel Zumofen, Charlotte Lang, Ivo Prato, Matthias Wenger, Saxofone; Philipp Leibundgut, Drums): Orbit. www.klapparat.ch