Vorurteil ade!
Zwischen Durchhörbarkeit und klanglicher Opulenz liegt diese exakt austarierte Aufnahme der Streicherwerke Othmar Schoecks.
Sicher war Othmar Schoeck der radikale Bruch mit Vergangenem weniger wichtig als jenes solide Handwerk, das er lernte bei Max Reger. Der 1886 in Brunnen am schönen Vierwaldstättersee geborene Schoeck verblieb in romantischen Gefilden und hielt – gerade aufgrund seiner Lied-Vorlieben – am Melodiösen fest. Mit der CD Summer Night präsentiert das Kammerstreichorchester I Tempi aus Basel nun einen zu wenig beachteten Schaffensstrang: Drei Werke für Streichorchester gibt es, alle entstanden sie Mitte der 1940er-Jahre kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Zum Auftakt eine Suite für Streichorchester in A-Dur op. 59. Oft pflegt Schoeck einen beschaulich-skeptischen Ton, zu dem ein Satz mit dem Titel «Pastorale tranquillo» gut passt. Instrumentatorisch ist das herausragend gemacht. Schoeck sorgt so für eine latente innere Spannung, die sich in zwei schnelleren Sätzen entlädt. Vor allem im dritten Satz «Tempo di marcia allegro» kommt ein ganz neuer Ton, der – da hat der Autor des sehr guten Booklets, Chris Walton, recht – Züge trägt von Sergej Prokofjews Musik. Parallelen etwa zu «Montague und Capulet» aus Romeo und Julia drängen sich fast schon zu sehr auf.
Stärker als die Suite ist das zwei Jahre später beendete Konzert für Cello und Streichquartett op. 61. Der Solist Christoph Croisé findet einen passenden und vor allem stets flexiblen Ton für diese Klanglandschaften, in denen er immer wieder changieren muss zwischen unaufdringlichem Im-Vordergrund-Stehen und Integration im Orchester. Besonderes Lob verdienen auch das tief in die heikle Musik eindringende Kammerorchester I Tempi und der Tonmeister Karsten Zimmermann. Im Radiostudio Zürich gelang allen ein Spagat. Der Musik die nötige Klangopulenz zu geben, ihr zugleich nicht die analytische Durchhörbarkeit zu nehmen, ist eine technische wie ästhetische Herausforderung, die geradezu artistisch bewältigt wurde.
So ist die CD, die mit der titelgebenden Pastorale Sommernacht op. 58 schliesst, dem häuslichen Klangfetischisten ebenso zu empfehlen wie demjenigen, der schlicht Freude an guter und gut gespielter Musik hat. Etwaige Vorurteile in Richtung «Schoeck der Konservative» sollten sich jedenfalls schnell verabschieden angesichts all dieser Qualitäten.