Werke eines charakterstarken Berglers
Rainer Held dirigiert fünf sinfonische Hauptwerke des Innerschweizers Caspar Diethelm.
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Vielen Insidern ist er ein Begriff: Rainer Held, der Luzerner Dirigent und Musikpädagoge mit bündnerischen Wurzeln, der seit vielen Jahren an der Pädagogischen Hochschule Luzern als Leiter der Musikabteilung wirkt. Seine Berufung zum Dirigenten muss er freilich, wie so viele Schweizer, im Ausland ausleben, sei es als Erster Gastdirigent des Radio-Sinfonieorchesters Minsk, in der Zusammenarbeit mit dem Kammerorchester der Philharmonie Novosibirsk oder mit dem Royal Scottish National Orchestra. Dabei macht Held immer wieder mit interessanten CD-Einspielungen auf sich aufmerksam: Werk von Schweizer Komponisten wie Carl Rütti, Arthur Honegger und Ernst Widmer.
Nun legt er bei Guild ein Kompendium mit drei CDs zum Innerschweizer Caspar Diethelm (1926–1997) vor, dessen Werke er schon anlässlich seines Studiums am Konservatorium Luzern kennen- und schätzen gelernt hatte. Als «knorrigen, charakterstarken Bergler» bezeichnet er den Komponisten, der in die Reihe der von ihm besonders geschätzten Schweizer passt. Held charakterisiert treffend: «Diethelm hat die Tonalität erweitert, aber nicht verlassen. Das macht seine Musik bei aller Expressivität und Komplexität fassbar. Und damit führte sie das Schaffen eines Arthur Honegger oder Paul Hindemith in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weiter.» Davon kann man sich bei der spannenden Einspielung von fünf sinfonischen Hauptwerken Diethelms überzeugen. Die archaische Klangwucht und metrische Energie bei zuweilen etwas dicker Instrumentation rücken diese Musik in die Nähe der Neuen Sachlichkeit.
Die Symphonische Suite Saturnalia op. 200 illustriert diese Qualitäten auch dank dem von Held souverän geführten Royal Scottish National Orchestra eindrücklich. Das siebenteilige, in der Dauer der Einzelsätze in sich ausgewogene Werk besticht durch den ostinatohaften metrischen Puls des mit Volksmusikfloskeln gespickten ersten Satzes ebenso wie durch das trauermarschartige Lento. Dankbar ist man nach so viel tiefschürfender Wucht um den scherzohaften, lebhaft-heiteren vierten Satz.
Das Pièce de Resistance dieser Diethelm-CDs ist die Symphonie Nr. 5 Mandala op. 180. In klassischer Viersätzigkeit gehalten, gelingt dem Komponisten ein spannungsreicher Bogen über das Ganze: dem einem Sonatensatz verpflichteten Allegro moderato folgt ein dreiteiliges Vivace mit einem düster-bedrückenden Mittelteil. Besonders gelungen ist das Larghetto, ein elegisch beginnender Satz, der sich zweimal zu leidenschaftlichen Höhepunkten steigert. Das Royal Scottish National Orchestra spielt agil und rhythmisch spannungsreich, wobei die vielen Farbnuancen von Trompete, Flöte, Klarinette oder Fagott für Abwechslung und Vielfalt sorgen.
Diethelm hat sich ausführlich zum Schaffensprozess in Mandala geäussert: «Jedenfalls habe ich in einer gewaltigen psychischen und physischen Anspannung mit unerhörten Glücksmomenten und Zeiten tiefster Niedergeschlagenheit, schwankend zwischen Selbstkritik, Zweifel und Gefühlen einer grossen inneren Kraft das Werk beendet …» Diese Notizen sind dem Booklet entnommen, in dem die Pianistin und Tochter des Komponisten, Esther Diethelm, mit grosser Fachkompetenz die einzelnen Werke vorstellt und kommentiert. Eine wertvolle Einspielung durch Rainer Held, der als Dirigent in der Schweiz leider viel zu wenig präsent ist.
Caspar Diethelm: Symphonic Works, Royal Scottish National Orchestra, Leitung Rainer Held. Guild GM3CD 7808