Kammermusikalische Dichte

Graziella Contratto dirigiert das Mythen-Ensemble Orchestral mit Rachel Harnisch als Solistin.

Gustav Mahler um 1900. Postkarte von 1898. Fotograf unbekannt. wikimedia commons

Vier Sinfonien Gustav Mahlers, die der Dirigent und Pianist Klaus Simon orchestriert hat, sind schon bei der Wiener Universal-Edition erschienen (1./4./5./9.). Die Sechste wird im März 2019 gedruckt. Nun hat das formidable Mythen-Ensemble Orchestral eine fantastische Einspielung der Vierten vorgelegt, die Mahlers Musik wie eine Essenz eindampft. Die vierzehn Instrumente (Streichquintett, einfach besetztes Holz, Horn, zwei Schlagzeuger, Klavier und Akkordeon) spiegeln nicht nur ohne Qualitätsverlust ein ganzes Sinfonieorchester wider, sondern bringen die speziellen Farben und Aromen der Musik wegen der fehlenden Füllstimmen noch stärker zur Geltung.

Simons Bearbeitung orientiert sich eng am Original. Akkordeon (Teodoro Anzellotti) und Klavier (Manuel Bärtsch) werden ganz dezent, manches Mal auch zur Klangschärfung eingesetzt. Deshalb klingt die perfekt abgemischte Aufnahme durchsichtig und intim. Im ersten Satz erinnert das Ensemble mit seinen süsslichen Streichern an eine Heurigenkapelle (grossartig: Andreas Janke, Violine 1, und Benjamin Nyffenegger,Violoncello). Der Wechsel zum grotesken Ton der Durchführung und ihrem Zusammenbruch ist deshalb umso beängstigender, ehe wieder ein ganz verbindlicher Ausdruck erreicht ist. Die kammermusikalische Dichte knüpft ein enges Beziehungsnetz. Jede Phrase spricht, jedes Motiv hat Plastizität. Dirigentin Graziella Contratto achtet auf die vielen Details der Partitur, behält aber immer auch den Blick fürs Ganze wie im weit ausgesungenen langsamen Satz. Und sie hat mit Solisten wie Antonio Lagares (Horn) oder Beat Anderwert (Oboe/Englischhorn) exzellente Bläser zur Verfügung, die diesem Mahler eine persönliche Note geben. Rachel Harnisch bezaubert im Finale mit ihrem dunkel schimmernden, schwerelos aufsteigenden Sopran und zeigt eine Innigkeit, die tief berührt.

In den fünf Liedern von Artur Schnabel aus Opus 11 und Opus 14 nach Gedichten von Richard Dehmel, Novalis, Stefan George und Josef von Eichendorff beglückt die Schweizer Sängerin einmal mehr als kluge Textdeuterin. Hochmusikalisch spürt sie Stimmungen nach und lässt in ihren weit gespannten Melodiebögen den poetischen Versen die Natürlichkeit. Contrattos behutsames Arrangement hat einen ganz verbindlichen Ton, mischt aber auch ein paar herbe Ingredienzen hinzu: Schnabels Lieder werden zu einer echten Entdeckung!

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Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 4. (Kammermusikfassung von Klaus Simon); Artur Schnabel: Lieder (Kammermusikfassung von Graziella Contratto). Rachel Harnisch, Sopran; Mythen Ensemble Orchestral, Leitung Graziella Contratto. Claves CD 1709

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