Honeggers Vermächtnis
Das Berner Symphonieorchester unter der Leitung von Mario Venzago spielt «Rugby», die «Symphonie liturgique» und die Sinfonie «Di tre re».
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Mario Venzago ist und bleibt ein eigenwilliger und kompromissloser Dirigent. So auch bei seinen CD-Projekten, mit denen er immer zu überraschen weiss. Die Gesamteinspielung der Bruckner-Sinfonien mit verschiedenen Orchestern bei cpo hat durch seine eigene Lesart – linear, transparent, klangsinnlich und mit rhythmischer Verve – in der internationalen Fachpresse für Aufsehen gesorgt.
Konsequent setzt er sich für die Schweizer Musik ein, sei das für die Orchesterwerke Othmar Schoecks oder Paul Juons. Als Chefdirigent des Berner Symphonieorchesters, der er seit 2010 ist, bezieht er die Schweizer Moderne ganz selbstverständlich in seine Programmierung mit ein. Und das von ihm restrukturierte, verjüngte und mit Teilzeitstellen attraktiver gemachte Orchester folgt ihm engagiert.
Nun ist Arthur Honegger (1892-1955) an der Reihe. Auf der aktuellen Einspielung, die als eine der letzten CDs beim bald eingestellten Migros Label Musiques Suisses erschienen ist, präsentieren Venzago und sein Berner Orchester Rugby, Mouvement symphonique (1928), die Sinfonie Nr. 3 Symphonie liturgique (1945/46) und die 5. Sinfonie Di tre re (1950).
Obwohl Honegger den Schweizer Pass hatte, harrte er auch im Zweiten Weltkrieg in Paris aus. Der pulsierenden Musikstadt, in der er schon studiert hatte, blieb er ein Leben lang treu. Mit Rugby, einem seiner drei Mouvements symphoniques, gab Honegger seiner Sportbegeisterung Ausdruck.
Die rhythmische Kraft, die sich auch in Pacific 231 Bahn brach, kommt hier laut wie in einem Sportstadion daher. Dem Berner Symphonieorchester gelingt es trotzdem zu differenzieren, in der harmonisch dichten Klangwucht die Agilität zu wahren und die Imitationen und Fugen deutlich zu artikulieren.
In der Liturgique bringt Honegger zwar durch Satzbezeichnungen wie «Dies irae» oder «Dona nobis pacem» liturgische Beschwörung in die Sinfonik, es gibt jedoch keinen direkten Bezug zu kirchlichen Originalmelodien. Es ist Bekenntnismusik der tiefsten Erschütterung, gleich nach Kriegsende geschrieben. Mario Venzago schöpft hier aus dem Vollen, die Atonalität und expressionistische Gestik deutet er mit aller Intensität aus, bis an die Grenzen des Erträglichen. Da ist man für das Allegretto-Adagio der 5. Sinfonie, das auf ein dunkles Grave folgt, mehr als dankbar.
Arthur Honegger: «Rugby», Mouvement symphonique; Symphonie liturgique; Symphonie «Di tre re», Berner Symphonieorchester, Leitung Mario Venzago, MGB CD 6287