Zweimal Robert Radecke

Das Trio Fontane und das Sinfonie-Orchester Biel Solothurn präsentieren Musik von Robert Radecke. Sowohl die Kammer- wie die grosse Formation interpretieren mit grossem Können und Musizierfreude.

Trio Fontane. Foto: zVg

Robert Radecke (1830-1911) ist kein Unbekannter, aber doch ein Name, der Fragen aufwirft. Ist er ein Musiker, ein Dirigent oder doch ein Komponist? Nun, Radecke tat sich hervor als Dirigent im Berlin der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ab 1853 wirkte er als zweiter Geiger mit im bekannten Quartett von Ferdinand Laub, gleichzeitig machte das Multitalent Furore als virtuoser Pianist mit Beethovens späten Klaviersonaten. Mehr Zeit zum Komponieren hätte der umtriebige Radecke gern gehabt – da ging es ihm wenig anders als seinen viel beschäftigten Kollegen Gustav Mahler oder Richard Strauss.

Wenigstens ein schmales Œuvre kam zustande. Das 2002 gegründete Schweizer Trio Fontane stellt drei Klaviertrios des Komponisten Radecke vor. Gute Musik ist es, von Leerlauf keine Spur, handwerklich auf hohem Niveau. Stilistisch bewegt sich Radecke zwischen Robert Schumann und einer klassizistischen Romantik. Damit bekennt er sich nicht zur fortschrittlich gesinnten neudeutschen Schule im Gefolge Richard Wagners oder Franz Liszts.

Trotz des unverkennbaren Traditionalismus zeichnet das Trio Fontane ein spritziges Bild von Radeckes Musik. Einen eleganten, erwachsenen Ton pflegen Noëlle Grüebler an der Violine und Jonas Kreienbühl am Cello. Andrea Wiesli begleitet am Flügel unaufgeregt, dabei sehr einfühlsam, ohne zu sehr einer – stellenweise durchaus nahe liegenden – romantischen Süffigkeit zu verfallen. Die Tontechniker fanden eine gute dynamische Balance. Sie tragen dazu bei, dass die im Hause cpo erschienene Produktion Hörspass mit sich bringt.

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Robert Radecke: Piano Trios. Trio Fontane (Noëlle Grüebler, Violine; Jonas Kreienbühl, Cello; Andrea Wiesli, Klavier). cpo 777 996-2

Sicher in Ton und Tempi präsentiert sich auch das Sinfonie-Orchester Biel Solothurn (SOBS), das auf einer weiteren Radecke-CD vier Orchesterstücke erstmals einspielte. In der Sinfonie in F-Dur für Orchester op. 50 von 1877 ist der Schumann Einfluss wiederum unüberhörbar; das helle Klangbild und die liedhafte Thematik erinnern stark an dessen Sinfonik, insbesondere an die Rheinische. Liebevoll und mit dem nötigen Detailsinn studierte das SOBS unter der Leitung des 1970 in Riggisberg geborenen Kaspar Zehnder nicht nur die Sinfonie ein, sondern auch Radeckes ungleich düsterere Ouvertüre Shakespeares König Johann op. 25 sowie ein Nachtstück op. 55 und Zwei Scherzi op. 52. Solch herausragende Interpretationsqualität, ausgezeichnet mit fünf Diapasons, sollte ein Argument zum Erhalt des Orchesters sein. Nach jetzigem Stand hängt das Damoklesschwert weiter über dem Klangkörper. Die Stadt Biel müsse sparen, heisst es. Mehr als ein Viertel der Bieler unterschrieben 2015 eine Petition gegen die Schliessung. Möge es nützen!

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Robert Radecke: Orchestral Works (Weltersteinspielung). Sinfonie-Orchester Biel Solothurn; Leitung Kaspar Zehnder. cpo 777 995-2

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