Mit Fantasie, List und Leben
Obschon der Pianist Marc Perrenoud seinem Jazz-Trio treu bleiben will, verspürt er zunehmend Lust, sich auch alleine zu beweisen. Sein Solodebüt ist so virtuos wie anmutig.
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Als Kind zweier klassischer Musiker wächst Marc Perrenoud in einer Welt voller Klänge auf. Mit sechs Jahren beginnt er am heimischen Klavier zu improvisieren, und bald darauf schickt man ihn in den Musikunterricht. Später zeigt er sich von den Beatles und Bach angetan, aber auch von Blues und Jazz und Pianisten wie Scott Joplin oder Oscar Peterson. 2005 schliesst er die Ecole de Jazz in Lausanne ab. Am Montreux Jazz Festival war er bereits zwei Jahre zuvor mit dem Chrysler Award ausgezeichnet worden. Erst ab diesem Moment war sich der Genfer gewiss, dass er eine Musikerlaufbahn einschlagen wollte.
Unterdessen ist er seit neun Jahren mit seinem Marc-Perrenoud-Trio aktiv, dem auch Schlagzeuger Cyril Regamey und Bassist Marco Müller angehören. In den kommenden Wochen wird die Formation ihr viertes Album, Nature Boy, veröffentlichen. Doch vorher wollte der 35-Jährige einen lange gehegten Traum verwirklichen: sein Solodebüt. Es ist im Juni erschienen und nennt sich Hamra – was auf Arabisch «rot» bedeutet. Der Titel verweist aber auch auf das gleichnamige Quartier in Beirut. Der Sohn einer Holländerin und eines Schweizers hat einige Monate in der libanesischen Hauptstadt verbracht, wo seine Neugier für die Kultur des Nahen Ostens geweckt wurde. Dennoch fokussiert die Platte mehrheitlich auf die Musiktraditionen des Abendlandes.
Während sich die impressionistische Conversation With Nino mit dem Filmkomponisten Nino Rota (1911–1979) auseinandersetzt, widmet sich Quintes den Klavierübungen: Rasch schert sich der Künstler keinen Deut mehr um strikte Disziplin und rollt stattdessen frisch, frech und energiegeladen über die Tasten hinweg. Perrenoud beweist in seinen Liedern sowohl Wagemut als auch Improvisationskunst. Das Werk beginnt mit All The Things You Are, das mit vom Schlagzeug ausgehenden Rhythmusstrukturen hantiert, und endet mit dem ebenso melancholischen wie melodiösen Le roi et l’oiseau aus der Feder von Wojciech Kilar. Dazwischen liegt eine Songstrecke, die nicht nur poetisch und virtuos, sondern auch abwechslungsreich und anmutig ist. Perrenoud ist es gelungen, seinen Solo-Piano-Sound mit Fantasie, List und Leben zu erfüllen.
Marc Perrenoud (piano): Hamra. UNIT-Records UTR 4707. www.marcperrenoud.com