Jenseits des Ästehtischen?

Max E. Keller hat vier Hörstücke aus den Siebzigerjahren wieder oder erstmals auf CD herausgebracht

Foto: Kai Stachowiak/pixelio.de

Natürlich sind Max E. Kellers Werke für Tonband politische Musik, radikale sogar. Deutlich insistierende Sprechstimmen in Sicher sein beziehen sich auf Schweizer Banken, die schon Mitte der 70er-Jahre ihre Gewinne maximierten, während die Arbeitslosigkeit rapide zunahm. In den 1979 entstandenen Hymnen ist ein authentischer Bericht eines gefolterten Chilenen zu hören. Konterkariert wird die Grausamkeit von Phrasen, die aus einem Tourismusprospekt stammen könnten, während im Hintergrund die selbstbewussten Hymnen verschiedener Länder laufen. Die Marsellaise drängt sich in den Vordergrund, Gleichheit und Brüderlichkeit – zeitgleich ist von elektrischen Schlägen, Tritten, Blutlachen und Verbluteten die Rede.

Solch direkte Weltspiegelung ist und war schon immer ein ästhetisches Problem. Was sollen Betrachtungen über Zeitdauern, Tonhöhen-Organisation oder kompositorische Qualität, wenn ganz bewusst realitätsnah von Folter, Tod und Unterdrückung berichtet wird? Sicher sind das Fragen, die auch Arnold Schönbergs Ein Überlebender aus Warschau betreffen. Bei diesen vier Hörstücken drängt sich die Frage wieder auf. Leider auch die Einsicht, dass vieles seit den 70ern, aus denen alle Werke stammen, kaum besser geworden ist – mit dem Unterschied, dass es nur noch wenige so kritisieren, wie Keller es schon vor 40 Jahren tat.

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Max E. Keller: Vier politische Kompositionen für Tonband, Tochnit Aleph TA 134

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