Traumwandlerisch

Das Genfer Quartett Orioxy erkundet auf Lost Children die Klangräume zwischen Jazz, Pop und Weltmusik.

Foto: Thomas O’Brien

Dass die Harfe im Jazz kaum je eingesetzt wird, hat wohl damit zu tun, dass die Musiker den Ausdruck dieses Engelsinstruments als zu sanft und zu eingeschränkt einstufen für ein Genre, das auf Expressivität setzt. Die 2008 gegründete Genfer Gruppe Orioxy zeigt aber auf ihrem neuen Album Lost Children noch deutlicher als auf den beiden Vorgängern, wie bereichernd dieses Instrument auch im Jazz-Umfeld wirken kann. Das Harfenspiel von Julie Campiche verbindet sich unmerklich mit dem Gesang von Yael Miller zu einem Wechselspiel von pastelligen Klangfarben und träumerischen Stimmungen, so flüchtig und verweht wie Tücher im Wind. Der luftige Charakter dieser melancholischen Songs wird durch orientalische Leichtigkeit und Verspieltheit verstärkt, zumal Yael Miller mit ihrer prägnanten Stimme nicht nur in Französisch und Englisch, sondern auch in ihrer markanten Muttersprache Hebräisch singt.

Roland Merlinc am Schlagzeug und Manu Hagmann am Kontrabass erden das ätherische Zusammenspiel der beiden Frauen mit kräftigen Klängen und rhythmischer Akzentuierung, die eine gewisse Affinität zum Rock verraten. Zusammen mit dem warmen Gesang und der perlenden Harfe entstehen zuweilen eine atmosphärische Dichte und ein klanglicher Kontrast, die an den Trip-Hop erinnern. Beim drängend gerappten Stück Bachour Meshouamam kann man zudem den Raï des Maghreb heraushören.

Wo Schlagzeug und Kontrabass die Harfe zu verdrängen drohen, verfremdet Julie Campiche auch mal den Klang ihres Instruments. Im Stück Isha kehrt sie ihn um, was ihn elektrisch modern klingen lässt. In Old World erkennt man den Klang der Harfe nicht mehr – sie tönt wie eine aggressive elektrische Gitarre. Auch Yael Miller entlockt ihrer Stimme zuweilen überraschende Facetten, an Björk erinnernde Stimmgeräusche, die allerdings mehr spielerischem Schalk als experimenteller Verpflichtung zu entspringen scheinen. Wie nahe beim Popsong die meisten Stücke stehen, zeigt nicht nur Go Now deutlich auf, das von Joanna Newsom stammen könnte. Das Album wird mit einer reduzierten und verlangsamten Version von Blackbird beschlossen, dem Beatles-Klassiker.

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Orioxy: Lost Children. GLM Music GmbH / Soulfood

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