Porträt des Urgrossonkels

Eine CD präsentiert Lieder und Klavierstücke des vergessenen Bündner Komponisten Karl Köhl. Sogar als Interpret ist er zu hören.

Karl Köhl. Foto: zvg

Als Karl Köhl, Ehrenbürger von Chur, 1919 starb, pries ihn der Nachruf in der Neuen Bündner Zeitung als «geistiges Zentrum des ganzen musikalischen Lebens» der Stadt. Geboren wurde er 1855 in Odessa (Ukraine), wohin seine Eltern aus Bergün ausgewandert waren. Wenige Wochen nach der Geburt verlor er sein Augenlicht, seine Mutter starb, als er zwei Jahre alt war. 1862 siedelte die Familie nach Chur über, wo Köhl die Schulen besuchte. Danach studierte er Orgel am Konservatorium in Stuttgart, in der Klasse von Immanuel Faisst. Zurück in Chur wirkte er 42 Jahre lang als Organist und Kirchenchorleiter, als Veranstalter von Konzerten und, vor allem, als Komponist; eine fröhliche Persönlichkeit trotz der schweren Schicksalsschläge.

Der Pianist Carlo Köhl, Urgrossneffe des Komponisten, hat es unternommen, die vorliegende CD mit einem Querschnitt durch Köhls Lied- und Klavierschaffen herauszugeben. Die zwölf Lieder und Duette, eher der klassischen als der romantischen Ausprägung ihrer Gattung verpflichtet, sind von den jungen Stimmen Jeannine Camenzind, Sopran, und Mattias Müller-Arpagaus, Bariton, leicht und frisch interpretiert. Aus der Sammlung von Klavierwerken spielt Carlo Köhl, mit feiner Empfindung wie schon bei den Liedbegleitungen, drei Charakterstücke, die ihre Nähe zu Schubert und Schumann nicht verhehlen, auch und gerade in der Wahl eines Titels wie Moment musical.

Karl Köhl selbst ist auf dem Tonträger überraschenderweise auch als Interpret präsent. Guilmants Marsch über ein Thema von Händel, Hesses Variationen über God save the King op. 67 und Mendelssohns zweite Orgelsonate wurden von ihm auf Welte-Rollen aufgenommen und für die CD auf der «Britannic Organ» im Museum für Musikautomaten in Seewen abgespielt. Es ist da ein genau, aber überaus vorsichtig spielender Organist zu hören – was angesichts der damaligen Aufnahmesituation auch nicht verwundert.

Eine vor allem in historischer Hinsicht sehr interessante Produktion, deren Cover eine Porträtzeichnung des Komponisten von der Hand Albert Ankers schmückt.

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Karl Köhl. Portrait des Churer Musikers. Historische Aufnahmen auf Orgel-Rollen; Lieder und Klavierstücke. Jeannine Camenzind, Sopran; Mattias Müller-Arpagaus, Bariton; Carlo Köhl, Klavier.

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