Zwei Visitenkarten

Über die Musik hinausgreifen, wollen die Projekte der Klavierklasse von Patricia Pagny. Das wird nicht wirklich deutlich, die CDs zeigen aber ansprechende Programme.

Ausschnitt aus dem CD-Cover von «Entre la France et le Japon»

Patricia Pagny, Klavierprofessorin an der Hochschule der Künste in Bern, ist Initiatorin des «Tasti’Era»-Projektes, das durch Interdisziplinarität neuen Wind in die Klassikszene bringen möchte. Ihr erklärtes Ziel ist es, musikalische Auftritte durch die Verknüpfung mit anderen Künsten attraktiv, vielseitig und ansprechend für das Publikum zu machen. Als greifbares Ergebnis und Visitenkarte sind bis jetzt allerdings nur zwei CDs entstanden, die trotz ansehnlicher Qualität kaum als bahnbrechend zu bezeichnen sind. Pagnys Klavierklasse spielt darin zwei gut geschnürte Programme ein, die sich aber nicht von gewöhnlichen Motto-CDs abheben.

Ausgehend vom starken Einfluss der japanischen Malerei auf die französischen Künstler am Ende des 19. Jahrhunderts begibt sich die Klasse auf der CD Entre la France et le Japon auf die Suche nach etwas Vergleichbarem in der Musik. Tatsächlich gelingt eine überzeugende Gegenüberstellung durch eine treffende Stückwahl. Toshio Akaishi und Toru Takemitsu gewähren einen Einblick in die japanische Kompositionskultur, und durch mehr oder weniger bekannte französische Vertreter von Maurice Ravel bis Jean-Jacques Werner werden sehr bald Unterschiede, aber auch weitreichende Gemeinsamkeiten deutlich. Die meist atmosphärisch-schwebenden Werke, grenzen sich vornehmlich durch unterschiedliche Klangflächenstrukturen voneinander ab, die auf die verschiedenen Kulturkreise zurückzuführen sind. Das Prélude La Puerta del Vino von Claude Debussy mit seinen starken spanischen Einflüssen fällt da aus der Reihe, durch seine sehr schöne, thematisch aber unpassenden Klangwelt. Drei Ersteinspielungen, Jean-Jacques Werners Madigan Square, Toshio Akaishis A Heavy Cloud Drips in the North Winter’s Sky und The blue moon is rising from beyond a mountain ridge, weisen kompositorische Finesse und Individualität auf; bei Akaishi finden sich teilweise ausdrucksstarke und farblich überschwängliche impressionistische Elemente. Die Interpretinnen sind überzeugend und werden den Werken gerecht; neben Patricia Pagny selbst, welche als Mentorin qualitativ heraussticht, ist Mrika Sefa besonders hervorzuheben, die mit einer besonderen Ausdrucksstärke und Sensibilität für Phrasen und Zeit Poulencs Improvisation XIII und Takemitsus Song of love darbietet.

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In der zweiten CD Bern-Thun-Interlaken, véritable source d’inspiration wird das Spiel der Assoziationen weitergespielt, allerdings recht lose. Die vier miteinander eng verbundenen Komponisten (Ehepaar Schumann, Brahms und Mendelssohn) haben zwar alle die genannte Gegend gekannt und geschätzt, aber nur eines der aufgenommen Werke ist tatsächlich hier entstanden: Drei Fantasiestücke op. 111 von Schumann. Tanja Biderman eröffnet die Aufnahme mit der für den Anfang sehr intelligent gewählten Toccata op. 7 von Robert Schumann, einem Stück, das so schwer ist, dass nur wenige Pianisten es in ihr Repertoire aufnehmen können oder wollen. Es wird überraschend souverän und mit erleichternd wenig Betonung der Technik gemeistert, was sich auch bei Mendelssohns Variations sérieuses und Brahms’ Intermezzo op. 118 Nr. 6 nicht ändert. Dass direkt darauf die Intermezzi op. 117 von Brahms, gespielt von Tomomi Hori, erklingen, zeigt genauestens die Unterschiede der beiden Pianistinnen. Während Biderman Brahms ausholend, mit viel Rubato und Pathos vorträgt, gönnt sich Hori nicht viele Freiheiten, spielt streckenweise beinahe hölzern. Solche divergierende interpretatorische Auffassungen werden im Laufe der CD weiter sichtbar. Die Gesamtqualität bleibt trotzdem sehr hoch, besonders zu loben ist die Auffassung eines runden Klanges und die merkliche Hinwendung an die interne Logik der Kompositionen, die bei allen Unterschieden nie ins Willkürliche abgleitet.

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Bern – Thun – Interlaken, véritable source d’inspiration, Werke von Mendelssohn, Brahms, Clara und Robert Schumann, Patricia Pagny et sa classe de pianistes à la Haute Ecole des Arts de Berne, Tasti’Era-Projects

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