Merkwürdiger Eigensinn

Drei Streichquartette, komponiert im Verlauf von 20 Jahren, geben Einblick in die Kammermusik Hermann Suters.

Hermann Suter porträtiert von Heinrich Altherr, 1922. Quelle: Kunstmuseum Basel / wikimedia commons

So etwas wie ein alter Bekannter ist Hermann Suter nicht. In der Schweiz war er tätig, leitete als Dirigent sowohl den Basler Gesangsverein, die Basler Liedertafel und die symphonischen Konzertreihen der Allgemeinen Musikgesellschaft. Neben seinen vielen Dirigaten, zu denen von 1918–1921 noch die Leitung der Basler Musikschule und des Basler Konservatoriums kam, ergab sich nur ein schmales kompositorisches Œuvre. Wenn jemand Suter kennt, so geht es wohl zurück auf die Begegnung mit dem Oratorium Le laudi di S Francesco d’Assisi (1925) und das dem Geiger Adolf Busch gewidmete Violinkonzert op. 23 (1924).

Die in der Reihe Musiques Suisses erschienenen drei Streichquartette erlauben nun einen schönen Einblick in die Kammermusik, zugleich auf den kompositorischen Werdegang. 1901 entstand das erste Quartett in D-Dur, 1910 schrieb Suter sein zweites in cis-Moll, 1918 folgte das letzte, sogenannte «Amselrufe»-Quartett op. 20 in G-Dur. Progressiv sind alle drei nicht. Bezugspunkte sind in erster Linie Johannes Brahms, auf einer zweiten Ebene Richard Wagner nebst Max Reger und auf einer dritten ist der Einfluss des von Suter stets bewunderten Beethoven spürbar. Zutiefst rätselhaft wie Beethovens Spätwerk sind die Quartette nicht. Überraschungen aber bergen sie durchaus. Schon im ersten gibt es – besonders deutlich zu Beginn des zweiten Satzes «Moderato, con svogliatezza» – ungewöhnliche Wendungen, die durch die deutschen Bezugspunkte nicht erklärbar sind.

Zumindest eine gewisse Eigenständigkeit ist also spürbar. Im dritten Streichquartett geht sie über in etwas befremdenden Eigensinn. Kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs zieht sich Suter, wie der Bookletautor Georg-Albrecht Eckle zu Recht formuliert, «fast kindlich in das Idyll zurück, das er in einem heiter melancholischen, äusserst abgehobenen dreisätzigen Quartett aufleben lässt».

Zu solch historischen «Querständen» gesellen sich manche Schräglagen intonatorischer Natur. Da es sich beim BeethovenQuartett um gestandene Profis handelt, dürften die mikrotonalen Bereicherungen auf Zeitnot bei der Einspielung zurückzuführen sein. Trotz mancher Vorbehalte: Die CD bleibt eine beredte Fundgrube für eine Schweizer Musikgeschichte, die noch zu schreiben ist.

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Hermann Suter: Sämtliche Streichquartette. BeethovenQuartett: Mátyás Bartha, Laurentius Bonitz, Violine; Vahagn Aristakesyan, Viola; Carlos Conrad, Violoncello. Musiques Suisses MGB CD 6279

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