Lässige Längen

Feine, kluge Musik aus dem «Labor» des Instrumental- und Sprachklangforschers Jacques Demierre.

Jacques Demierre. Foto: Peter Gannushkin

«Es tanzt das ZNS», sprach einmal Blixa Bargeld von den Einstürzenden Neubauten. Das zentrale Nervensystem bringt auch dieser Jacques Demierre in Schwung. Breaking Stone, das heisst: eine radikal persönliche Musiksprache fernab jeglicher Konventionen und Stilverpflichtungen. Im zehnminütigen Stück Sumpatheia geben Violine und Gitarre ein feines Duett. Dünn ist der Ton der phantastischen Denitsa Kazakova, Jean-Christophe Ducret spielt zaghafte Flageoletts dazu. Introvertiert klingt das, wie locker aus dem Ärmel geschüttelt, aber nie beliebig. Mit technischen Begriffen ist Sumpatheia kaum zu beschreiben. Harmonisch ausgesprochen reichhaltig, farbenfroh – all das könnte man wohl schreiben. Doch es bleiben Nebensachen. Es ist einfach kluge, stilsichere Musik, vor allem auch: glaubwürdige Musik auch wegen ihrer so offenen, ungeschützten Subjektivität.

Jacques Demierre, der gewiefte Improvisator und Komponist aus Genf, hat eine Zeit lang auch Linguistik studiert. Im teils improvisierten Breaking Stone für Stimme und Klavier spricht er in den Klavierkörper hinein und begleitet seine isolierten, unverständlichen Sprachfetzen mal mit vorsichtig-tastenden Akkorden, mal mit Griffen ins Klavier, in Form von Saitenstreichlern oder energischeren Pizzikati oder Schlägen. Die Länge von 40 Minuten hat ihren Grund. Es braucht Zeit, um das Ohr zu gewöhnen an diese rätselhaften Engführungen von Stimme und räsonierendem Klavier. Im klassischen Sinne «verstehen» wird man Demierres Musik letztlich nie. Dem ZNS jedoch ist das egal. Es hat kein Interesse an verständlicher Kunst. Aber wer hat das schon?

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Jacques Demierre: Breaking Stone (Three Pieces for Player Piano, Sumpatheia, Breaking Stone). Denitsa Kazakova, Violine; Jean-Christophe Ducret, Gitarre; Jacques Demierre, Klavier und Stimme. Tzadik TZ 9001

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