Versteckte Schönheit

An diese Klanggestalt der «Kunst der Fuge» muss man sich erst gewöhnen. Der Gewinn ist dann aber umso grösser.

 

Titelseite von Bachs autografem Manuskript, angeschriben von Johann Christoph Altnickol: «Die / Kunst der Fuga / di Sig.o Joh. Seb. Bach. / (in eigenhändigen Partitur)», 1742. Staatsbibliothek zu Berlin

Es fragt sich, was öfter vorkommt: Sind es Einspielungen der Kunst der Fuge oder ihre Charakterisierung als abstrakte Musik, die der Aufführung gar nicht bedarf? Eine «diskografische Lücke» schliessen Johann Sonnleitner und Stefan Müller an den Clavichorden mit ihrer Aufnahme gewiss nicht. Aber sie gewinnen der Kunst der Fuge einen anderen Ton ab als zahlreiche, schon existierende Orgel-, Klavier-, Saxofon- oder Gitarrenbearbeitungen.

Sehr nobel klingen die bachschen Canons, Contrapuncti und Spiegelfugen auf den Nachbauten der Clavichorde Johann Heinrich Silbermanns (1727–1799). Der Kammerton liegt bei 392 Hertz; gewählt wurde die so genannte Neidhardt-Stimmung «für eine grosse Stadt» von 1724. Gewöhnungsbedürftig ist das daraus resultierende, etwas gedeckte Klangbild. Aber es ist eben auch ungeheuer subtil. Leicht fällt das Verfolgen der Stimmen, unterstützt wird es durch moderate Tempi. Das schlichte Karton-Gewand und das zurückhaltende Design entsprechen einer Produktion, die ihre Schönheit erst nach und nach, am Ende aber sehr kräftig entfaltet. Bachs rätselhaft-sperrigem «Glasperlenspiel» (Hermann Hesse) wird das mehr als gerecht. Denn auch die Kraft der Kunst der Fuge liegt bekanntlich in der Tiefe, in einer hochgeistigen Konstruktion, die besondere Interpretationskunst fordert. Stefan Müller und Johann Sonnleitner bringen sie offensichtlich mit.

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Johann Sebastian Bach: Die Kunst der Fuge. Johann Sonnleitner und Stefan Müller, Clavichorde. www.contrapunctus.ch

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