Findige Bearbeitungen

Die Lieder von Charles Ives sind wenig bekannt. Hier sind sie eingerichtet für Ensemble zu entdecken.

Charles Edward Ives um 1947. Foto: Clara Sipprell, National Portait Gallery Washington

Dass der Werkkatalog von Charles Ives von über 200 Liedern dominiert wird, ist wenig geläufig. Der Vater der amerikanischen Avantgarde ist schliesslich als Schöpfer bahnbrechender Orchesterwerke in die Geschichte eingegangen. Der ganze Kosmos der ivesschen Ästhetik zwischen bodenständiger Folklore und kühnem Experiment, romantischem Eklektizismus und visionärer Progressivität, diese einzigartige Melange aus Erfindung, Parodie und Zitat spiegelt sich in konzentrierter Form auch in seinem beeindruckenden Liedschaffen.

Das klug zusammengestellte Songbook spricht in dieser Hinsicht Bände. Seine Besonderheit: Es handelt sich um Instrumentierungen für Ensemble. Das ist bei Ives in besonderem Masse sinnvoll: Erstens hat der Komponist sein Material geradezu labyrinthisch in den verschiedensten Werken und Besetzungen vernetzt; zweitens schreien seine Lieder mit ihrem äusserst suggestiven und häufig (schon vom Text her) auf ganz konkrete Alltagsmusiken Bezug nehmenden Klavierpart geradezu nach instrumentaler «Ausmalung».

Aber Sebastian Gottschick veranstaltet als Bearbeiter kein musikalisches «Malen nach Zahlen». Seine wunderbaren Instrumentierungen tragen nicht nur Ives’ spektakulärer Polystilistik Rechnung, wenn Intermezzi wie All the way around and back oder Gyp the Blood zum polyrhythmischen Chaos werden. Man kann hier leider nur andeuten, wie sensibel und einfallsreich Gottschick (selbst auch Komponist) den unterschiedlichen, manchmal innerhalb eines Liedes abrupt wechselnden Tonfällen nicht nur gerecht wird, sondern diese im Ensemble produktiv weiterträgt. Die klanglichen Extravaganzen hat er dabei ebenso findig ausgefeilt, wie die ironischen Brechungen und parodistischen Überdrehtheiten.

Gleiches gilt für die Sänger. Jeannine Hirzel und Omar Ebrahim finden eine Vielzahl von Nuancen in diesem Kaleidoskop amerikanischer Jahrhundertwende, brechen den Kitschfaktor gleich im ersten Lied geschickt auf und erweisen Ives’ Ideal einer nicht akademisch begradigten Interpretation alle Ehre.

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Charles Ives: A Songbook; bearbeitet für Stimmen und Kammerensemble von Sebastian Gottschick. Jeannine Hirzel, Mezzosopran; Omar Ebrahim, Bariton; ensemble für neue musik zürich. Hat nowART 183

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