Schweizer Tschaikowsky-Nachklänge

Das Carmina-Quartett, Oliver Triendl und Thomas Grossenbacher spielen Kammermusikwerke für nicht alltägliche Besetzungen.

Undatiertes Porträt von Paul Juon. Bild: Internationale Juon-Gesellschaft

Unter den zahlreichen Kammermusikwerken mit Klavierbegleitung von Paul Juon (1872–1940) ragen mit dem Sextett von 1902 und dem Quintett von 1909 zwei originell besetzte Kompositionen von zentraler Bedeutung heraus. Der stellenweise orchestralen Klangfülle des noch ganz in der slawischen Spätromantik verhafteten Sextetts, das in Richtung Kammersinfonie (Oktett) op. 27 weist, steht im harmonisch kühneren Quintett eine stark aufgebrochene, mit reinen Streicherpassagen durchmischte Faktur von bemerkenswerter Transparenz gegenüber. Zu den klanglichen Besonderheiten dieses stilistisch einheitlicheren, auffallend herben Werks zählen stereotype Ganztonpassagen, pentatonische Wendungen und Septakkorde, die einzig durch Arpeggierung an Schärfe verlieren.

Im weniger ausgereiften, in melodischer Hinsicht jedoch reichhaltigeren Sextett kämpfen Juons grösste Vorbilder, Brahms und Tschaikowsky, energisch gegeneinander. Dem in Moskau geborenen, in Berlin gross gewordenen Schweizer Komponisten wurde schon früh eine gewisse Brahms-Nähe attestiert. Sie macht sich hier am stärksten in der Themenbildung des Kopfsatzes bemerkbar. Die Verwandtschaft mit dem 1. Satz des Klavierquintetts op. 34 des deutschen Kollegen ist nicht zu überhören. Andererseits bekennt sich Juon noch viel leidenschaftlicher zu Tschaikowsky, wenn er das typisch russische Volksliedthema des langsamen 2. Satzes jenem des 2. Satzes aus dem Klaviertrio a-Moll op. 50 des Russen nachbildet. Wie jener dehnt auch Juon die Variationen auf die folgenden drei Sätze (Menuett, Intermezzo, Finale) aus.

Die bis zur Glut gesteigerte emotionale Wärme des Sextetts und die kühlere Klangatmosphäre des Quintetts geben der Pianist Oliver Triendl, der Violoncellist Thomas Grossenbacher und das Carmina Quartett mit einer Hingabe wieder, die wohl kaum anders als leidenschaftlich bezeichnet werden kann.

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Paul Juon: Piano Quintet, Piano Sextet (2. Quintett F-Dur op. 44 für Violine, zwei Bratschen, Violoncello und Klavier; Sextett c-Moll op. 22 für zwei Violinen, Viola, zwei Violoncelli und Klavier). Oliver Triendl, Thomas Grossenbacher, Carmina Quartett. cpo 777 507-2

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