Volksmusik: forsch und keck

Ein Ensemble aus Berlin macht Volksmusik oder spielt mit volksmusikalischen Elementen – auch aus der Schweiz.

Foto: Anthony Gomez / unsplash.com

Nein, lustig machen Sie sich nicht, die Damen und Herren der Formation Zeitkratzer. Mit Arnold Schönberg haben sich die zehn Musiker schon beschäftigt, mit der Popmusik Lou Reeds und mit elektronisch experimenteller Musik. Nun also ist die Volksmusik an der Reihe, und die gehen sie nicht minder forsch an als ihre freie Schönberg-Interpretation. Ein vorwärts treibender rumänischer Rhythmus (Bouchimich), eine Melodie aus dem Schweizer Kanton Wallis (Ländler) oder eine Volksmusik-Aufnahme aus Appenzell (Zäuerli) – all das wird in den Händen der zehn Berliner Avantgarde Musiker zu einer seltsam schroffen, ja durchaus urwüchsigen Musik, die nur einen Haken hat: Sie entspricht kaum dem (Klang-)Bild, das viele von der heilen Welt der Volksmusik haben.

Letztlich haben die Zeitkratzer aber vollkommen recht: Ihre vitalen Stücke beruhen nicht weniger auf einer Konstruktion als ungleich sterilere Hochglanz-Inszenierungen von Volkmusik im abendlichen Fernsehprogramm. Wenn rumänische Ingredienzen mit bayerischen und schweizerischen Klängen und Gesängen kombiniert werden, dann treiben die Herren das «fluide» Prinzip mündlich oder musikalisch tradierter Volksmusik gewissermassen auf die Spitze. Weil sie bei ihren Forschungen in den Archiven so manch dissonante und mikrotonale Überschneidungen mit der Kunstmusik des 20. Jahrhunderts entdecken, wird die CD Neue Volksmusik zu einem unmittelbaren Hörspass voller Energie und Spannung. Aufgenommen wurde sie übrigens beim Festival Alpentöne in Altdorf.

Ein Resümee wäre: Zuweilen haben nicht die oft verkopften Avantgardisten, sondern die Bauern die Nasen vorn. Auch das ist natürlich eine kecke Überspitzung – durchaus aber einen Gedanken wert.

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Neue Volksmusik. Ensemble Zeitkratzer. Zeitkratzer Productions. Zkr 0014, Vertrieb Broken Silence

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