Perlen aus Tschechien
Der Pianist Ivo Kahánek hat Klaviermusik aus seiner Heimat zusammengestellt. Es lockt viel Unbekanntes.
«Musik aus Tschechien geniesst auf der ganzen Welt hohes Ansehen (…). Die Klaviermusik tschechischer Komponisten hingegen ist jenseits der Grenzen der Tschechischen Republik nicht allzu bekannt (…).» Mit dieser Feststellung hat der tschechische Pianist Ivo Kahánek wohl nicht ganz unrecht. Ab und zu hört man ein Werk von Janáček. Darüber hinaus trifft man auf unseren Podien recht selten auf Klavierstücke von Smetana, Dvořák, Suk oder Martinů, von weniger bekannten Komponisten ganz zu schweigen.
Mit seinem Sammelheft Entdeckungsreise durch die tschechische Klaviermusik, das bei Bärenreiter Praha erschienen ist, möchte Kahánek diesem Manko entgegenwirken. Es enthält Kompositionen von fünfzehn Komponisten aus der Vorklassik bis in die Gegenwart. Darunter natürlich Altbekanntes wie die unverwüstliche Humoreske in Ges-Dur von Dvořák oder auch drei Stücke aus Janáčeks Zyklus Auf verwachsenem Pfade. Smetana ist mit zwei Albumblättern und einer Polka, Josef Suk mit zwei bezaubernden Idyllen vertreten. Daneben aber finden sich zahlreiche Miniaturen von Milan Dlouhý, Jiří Vřešťál, Luboš Sluka und vielen anderen Komponisten, deren Namen ausserhalb Tschechiens nicht sehr geläufig sind.
Hervorgehoben seien besonders Glocken zur Nacht von Petr Eben, ein ganz schlichtes, aber klangschönes Tonpoem. Auch das Preludio ostinato von Miloslav Kabeláč ist mit seinen ständigen Wiederholungen eines kurzen Motivs von suggestiver Wirkung (und erinnert darin an Janáček). Aber nicht immer geht es um meditative Musik. Die witzige Sextenstudie von Jiří Vřešťál ist sehr unterhaltsam und dürfte vielen Spass machen. Voraussetzung dafür sind allerdings lockere Handgelenke …
Um möglichst viele Pianistinnen und Pianisten anzusprechen, hat sich Ivo Kahánek bemüht, Kompositionen in die Sammlung aufzunehmen, «die auch Anfänger oder leicht Fortgeschrittene spielen können. Selbst die anspruchvollsten Stücke übersteigen in ihrem technischen Schwierigkeitsgrad nicht das Niveau der unteren Jahrgänge …», schreibt er dazu im Vorwort. Das ist wohl eine etwas zu optimistische Einschätzung. Denn auch die leichte Sonatina III von Jiří Antonín Benda oder das Rondo in G-Dur von Jan Václav Voříšek sind natürlich keine Anfängerliteratur. Und einige wenige Stücke verlangen durchaus schon ein virtuoses Niveau, so zum Beispiel die groteske Teufelspolka von Vítězslav Novák. Insgesamt aber liegt der Fokus auf künstlerisch ambitionierten Werken, die bei mässigem technischem Aufwand viel Klangsinn und gestalterische Fantasie erfordern. Darin liegt der besondere pädagogische Wert dieser Entdeckungsreise.
Im Übrigen schliesst man sich gerne der Hoffnung des Herausgebers an, man möge sich «inspirieren lassen, noch weitere Schätze der tschechischen Klaviermusik aufzuspüren».
Entdeckungsreise durch die tschechische Klaviermusik, Stücke für etwas fortgeschrittene Spieler, ausgewählt und revidiert von Ivo Kahánek, BA 11560, € 17.95, Bärenreiter, Prag