Parodistischer Unterton

Die kurzen Serenaden von Bohuslav Martinů, entstanden 1932, weisen eine eigenwillige Besetzung auf. In der Serenade Nr. 3 spielen Oboe, Klarinette, vier Violinen und Violoncello.

Bohuslav Martinů 1937. Foto (Schnitt): Bärenreiter

Warum es Bohuslav Martinů (1890–1959) trotz seiner Bedeutung für die Musik des 20. Jahrhunderts bis heute nicht in das breite Bewusstsein geschafft hat, mag an den Zeitumständen liegen, die seine Biografie geprägt haben: Geboren in einer kleinen ostböhmischen Stadt, übersiedelte er nach lehrreichen Jahren in Paris und der Emigration in die USA am Ende seines Lebens in die Schweiz.

Auch seine musikalische Sprache ist stilistisch nur schwer zu fassen, obwohl Martinů zu den produktivsten Komponisten seiner Generation zählt: Sein Œuvre umfasst alle Gattungen und zeichnet sich durch eine Tonsprache aus, die gleichermassen Elemente der Musik seiner böhmischen Heimat und des frühen Jazz, der tonalen Harmonik wie auch der linear bestimmten Polyfonie aufnimmt und vereint. Fremd blieben ihm hingegen die expressiven, mehr und mehr konstruktiv bestimmten Partituren der Neuen Wiener Schule, aber auch die akademisch geprägte romantische Tradition, wie sie am Prager Konservatorium zu Beginn seiner Ausbildung noch gelehrt wurde.

Zwar war Martinů mit seinen Besetzungen der Tradition verbunden, doch finden sich in seinem Schaffen ebenfalls immer wieder Werke mit ungewöhnlichen Zusammenstellungen, die in der musikalischen Praxis leider nach wie vor unpraktisch anmuten. Dies gilt auch für zwei der drei chronologisch dicht aufeinanderfolgenden Serenaden aus dem Jahre 1932.

So verzichtet Martinů in der Nr. 1 (H 217) für Klarinette, Horn, drei Violinen und Viola auf ein stützendes Bassinstrument. Durch die Betonung des Diskantbereiches kommt es aber besonders im dreiteiligen, kantablen Larghetto zu faszinierend schillernden Klangwirkungen. Die Nr. 3 (H 218) für Oboe, Klarinette, vier Violinen und Violoncello, bei Bärenreiter Prag soeben neu erschienen, weist hingegen einen parodistischen Unterton auf – nicht nur im eröffnenden Marsch, sondern auch im anschliessenden Variationssatz. Hier wird das liedhafte Thema zunächst in einer köstlichen Imitation der brahmsschen Tonsprache, dann mit Bordunquinten und knappen 6/8-Motiven eher spielerisch, schliesslich im hektischen Bewegungsfluss beleuchtet. Es handelt sich um ebenso lohnende wie kurzweilige Entdeckungen für experimentierfreudige Ensembles (Spielzeit jeweils ca. 7 Minuten).

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Bohuslav Martinů: Serenade Nr. 3 H 218, hg. von Jitka Zichová; Stimmen: BA 11542, € 13.95; Taschenpartitur: TP 442, € 10.95; Bärenreiter, Prag

id.: Serenade Nr. 1 H 217, hg. von Jitka Zichová; Stimmen: BA 11541, € 12.95; TP 441, € 10.95

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