Als Komponist noch zu entdecken

Christoph Keller hat die Klaviermusik von Erich Schmid in zwei Bänden herausgebracht.

Foto: Dolo Iglesias/unsplash.com

Der älteren Generation muss man den Dirigenten Erich Schmid wohl nicht vorstellen. Als Leiter des Tonhalle-Orchesters Zürich und des Radio-Orchesters Beromünster hatte er nach dem Zweiten Weltkrieg über viele Jahre eine zentrale Position im Schweizer Musikleben inne. Und zwischen 1968 und 1978 war er vermehrt auch als Gastdirigent bei verschiedenen englischen Orchestern tätig.

Dass Schmid, zumindest in den Dreissigerjahren, auch ein fruchtbarer Komponist war, dürfte weniger bekannt sein. Eine 2013 bei ZHdK-Records veröffentlichte CD-Box bietet da einen guten Einstieg in die Musik dieses Vielbeschäftigten (ZHdK-Records 30/2013). Vor Kurzem nun hat der Pianist Christoph Keller Erich Schmids Klaviermusik in zwei Heften bei Boosey & Hawkes/Bote & Bock herausgebracht.

Schon die frühe Kleine Musik für Klavier von 1926 verrät einiges über Schmids kompositorische Potenzial. Zwei der drei kurzen Stücke sind mit viel jugendlichem Schwung und Schalk dahingeschrieben, während das mittlere (langsam und ausdrucksvoll) eine erstaunliche lyrische Begabung offenbart. Mit den Drei Klavierstücken von 1929 wagt Schmid dann den Schritt in die freie Atonalität.

«Also ich komponiere … Klavierstücke, die ich nicht spielen kann», schrieb er darüber an seinen Freund Erich Itor Kahn. Tatsächlich sind die drei durchwegs faszinierenden Klangskizzen pianistisch nicht einfach zu realisieren; kleinere Hände werden auf grosse Schwierigkeiten treffen.

Die folgenden Sechs Stücke für Klavier op. 6 stehen dann ganz klar unter dem Einfluss von Schmids berühmtem Kompositionslehrer Arnold Schönberg. Einerseits ist zu bewundern, wie souverän der 25-jährige Schüler bereits die Zwölftontechnik beherrscht, andererseits steht das Handwerkliche doch sehr im Vordergrund. Der Komponist entgeht dabei nicht gewissen Stereotypen (wie z. B. der Vorliebe für absteigende Phrasen).

Die 1941 entstandenen Splitter zeigen wiederum einen ganz anderen Schmid: Ein Marsch, ein Walzer und ein Foxtrott kontrastieren mit Liedbearbeitungen und einer zauberhaften Berceuse. «Mit ihrer vergleichsweise leichten Spielbarkeit eignen sich die Stücke für die Einführung in ein Klavierschaffen, das in weiten Teilen noch der Entdeckung harrt», schreibt Herausgeber Christoph Keller zu Recht über diese Splitter.

Und wer sich intensiver mit Erich Schmid und seinem Wirken befassen möchte, ist mit den beiden Heften sehr gut bedient. Denn nebst einem ausführlichen kritischen Bericht, Werkbesprechungen und Faksimiles enthalten sie auch eine lesenswerte Biografie.

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Erich Schmid: Klavierwerke 1 und 2, hg. von Christoph Keller, Werke 1, BB 3545; Werke 2, BB 3546; je € 55.00; Boosey & Hawkes / Bote & Bock, Berlin (Schott, Mainz) 

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