Reichhaltige, oft bestohlene Sonaten

Elinor Frey hat die Cellosonaten von Giuseppe Dall’Abaco (1710–1805) erstmals herausgegeben. Bisher sind drei der fünf Bände erhältlich.

Die Herausgeberin Elinor Frey. Foto: Elizabeth Delage

Die Edition Wallhall hat mit der kritischen Herausgabe aller 27 Cellokonzerte von Antonio Vivaldi einen editorischen Meilenstein gesetzt. Nun überrascht der Verlag mit der Gesamtausgabe der 35 überlieferten Cellosonaten von Giuseppe Clemente Dall’Abaco. Die Edition besorgte die kanadische Cellistin Elinor Frey, eine Spezialistin für Musik des 17. und 18. Jahrhunderts.

Der Cellist Dall’Abaco wurde 1710, im selben Jahr wie Wilhelm Friedemann Bach, in Brüssel geboren und verstarb 1805, dem Todesjahr Luigi Boccherinis, im sehr hohen Alter von 95 Jahren in Arbizzano di Valpolicella, Provinz Verona. Dall’Abaco hielt sich 1736–37 in London auf. Dies erklärt, dass die umfangreiche Sammlung in der British Library aufbewahrt wird.

Die im barocken Stil gehaltenen Sonaten zeichnen sich durch kantable Melodien aus, die teilweise volkstümlichen Charakter haben. Die spieltechnische Palette ist reich: gesangliche Passagen bis zum c3, Doppelgriffe (mit häufigen 4-3-Vorhalten, bei deren Ausführung der Daumen eingesetzt wird), virtuose Arpeggien-Sequenzen sowie Batteries. Teilweise experimentiert der Komponist mit dem damals aufkommenden galanten Stil.

Das umfangreiche Vorwort gibt Informationen über Dall’Abacos Leben, seine Wirkungsfelder und sein kulturelles Umfeld. Pikant: Es gibt auch Auskunft über zahlreiche zeitgenössische Entlehnungen aus seinen Werken. Der französische Cellist Martin Berteau (1708–1771) verwendete beispielsweise in seinen viel gespielten sechs Cellosonaten op. 1 vier entliehene Sätze aus Sonaten Dall’Abacos. Und die – wohl durch einen Irrtum des britischen Herausgebers A. Moffat – Giovanni Battista Sammartini zugeschriebene G-Dur-Sonate stammt ursprünglich aus Dall’Abacos Feder.

Ein kleiner Abstrich: Die Ausgabe enthält keine ausgesetzte Continuo-Stimme. Dies dürfte es v. a. Laienmusikerinnen und -musikern erschweren, diese reichhaltige und pädagogisch wertvolle Sammlung zu verwenden. Wer sich mit den Sonaten vertraut machen möchte, dem sei zusätzlich die beim Label Passacaille-Records erschienene CD mit der Herausgeberin Elinor Frey als Solistin empfohlen (PAS 1069).

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Giuseppe Clemente Dall’Abaco: 35 Sonaten für Violoncello und B.c., Erstausgabe in 5 Bänden von Elinor Frey;
bisher erschienen:
Bd. III: 8 Sonaten (ABV 24-31), EW 1154, € 29.80;
Bd. IV: 8 Sonaten (ABV 32-39), EW 1160, € 29.80;
Bd. V: 7 Sonaten (ABV 40-46), EW 1164, € 26.50;

Edition Walhall, Magdeburg

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