Gesammeltes Wissen – gedruckt und digital

Der Verlag G. Henle hat die Beethoven-Sinfonien neu herausgegeben, greifbar als Studienpartituren im Schuber oder über die Henle-Library-App.

Beethoven-Skulptur von Markus Lüpertz (2014/15), Leipzig. Foto: SMZ/ks

Hier ist eine neue Urtextausgabe der neun Sinfonien von Ludwig van Beethoven anzuzeigen, die es in sich hat und zum neuen Standard werden sollte. Denn wer in seinem Regal keinen Platz mehr findet für den kompakten Schuber mit den neun Studienpartituren, kann sich auch für die digitale Version ventscheiden mit dem Vorteil, dass die Sinfonien auch einzeln gekauft werden können und einen auf dem Tablet überallhin bequem begleiten.

Als Vergleich habe ich die Bärenreiter-Urtextausgabe herangezogen, die vor 20 Jahren von Jonathan Del Mar vollendet und ebenfalls in Form von Studienpartituren veröffentlicht wurde. Ähnlich sind sich die beiden Editionen bezüglich musikwissenschaftlicher Aufarbeitung und Absicherung, jeweils kurzer, aber präziser Beschreibung der Quellenlage sowie des Abdrucks aller beethovenschen Metronomangaben von 1817. In allen übrigen Belangen hat Henle die Nase vorn. Dies beginnt bei einem leicht grösseren Format, was das Notenbild gleich etwas aufgelockerter erscheinen lässt.

Der entscheidende Unterschied liegt aber in der Wissensvermittlung. Die Grundlagen beider Ausgaben sind ja jeweils mehrere Quellen, die gelegentlich editorische Entscheidungen nötig machen. Darüber gibt bei Bärenreiter der «Critical Commentary» Auskunft, bei Henle sind es die «Einzelbemerkungen». Während man bei Henle in einigen Fussnoten auf die entsprechende Bemerkung verwiesen wird und diese im Anhang lesen kann, wurde bei Bärenreiter der Kritische Bericht separat gedruckt und ist deshalb in der Studienpartiturausgabe nicht vorhanden. Da kann es schon einigermassen frustrierend sein, wenn man in einer Fussnote auf einen Kommentar verwiesen wird, aber diesen weder in der Edition noch auf der Website des Verlages zum Download findet. So ist ein Gang in eine gut bestückte Musikbibliothek angesagt, in welcher die separaten Bände der Kritischen Berichte vorhanden sein sollten, denn ein Kauf kommt beim Preis von ca. 45 € pro Sinfonie wohl für die wenigsten Benutzerinnen und Benutzer infrage.

Nicht ganz einsichtig bleibt, weshalb bei Henle nicht auf jede Einzelbemerkung mit einer Fussnote an der entsprechenden Partiturstelle hingewiesen wird. Optimal gelöst ist dies in der digitalen Version: Mittels der Darstellungsoption «Kommentare im Notentext» werden alle Stellen, zu denen eine Bemerkung vorhanden ist, in dezentem Hellblau markiert. Durch Antippen erscheint das entsprechende Textfeld, und man kann die teilweise äusserst detaillierten Bemerkungen studieren. Eine rundum gelungene Ausgabe, die «in zwei Gestalten» daherkommt und zu überzeugen vermag!

Einige Worte noch zur Henle-Library. Es handelt sich dabei um eine App, die sowohl auf dem iPad als auch dem Android-Tablet verfügbar ist und für die seit 2016 bereits ein riesiges Repertoire von Henle-Urtextausgaben existiert. Dabei erhält man kein PDF (wie dies beispielsweise der Schott-Verlag beim elektronischen Notenkauf praktiziert), sondern die Noten werden in die App eingebettet mit all ihren Zusatzfunktionen wie zum Beispiel individuelle Eintragungsmöglichkeiten, verschiedene Darstellungsoptionen, integriertes Metronom, Aufnahmemöglichkeit und vieles mehr. Der Preis für digitale Notenausgaben liegt nur geringfügig unter demjenigen einer gedruckten Partitur (im Fall der 7. Sinfonie beispielsweise 10 anstatt 12 Euro für die Studienpartitur), was aber angesichts der vielen Features und sogar der Möglichkeit gelegentlicher Updates zu rechtfertigen ist.

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Ludwig van Beethoven: Die Symphonien – 9 Bände im Schuber, Studien-Edition, hg. von Ernst Herttrich, Armin Raab u. a., HN 9800, € 89.00, G. Henle, München

Dirigierpartituren und Orchestermaterial zu den Henle-Studienpartituren sind bei Breitkopf & Härtel erhältlich. Zum Beispiel:

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Ludwig van Beethoven: Symphonie Nr. 5 c-Moll op 67, Urtext nach der neuen Gesamtausgabe (G. Henle), hg. von Jens Dufner, Partitur PB 14615, € 48.50, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden

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