Die Unterschiede vom Autograf bis heute
Bei seiner zweibändigen Ausgabe der beethovenschen Violinsonaten hat Clive Brown die Unterschiede im Notentext vom Autograf bis heute aufgeführt.

Der lange Jahre in Oxford und Wien lehrende Geiger Clive Brown hat eine reichhaltige wissenschaftlich-kritische Ausgabe der zehn Sonaten für Klavier und Violine in zwei Bänden herausgegeben. Die einführenden Texte englisch/deutsch liefern grundlegende Informationen zur sich wandelnden Aufführungspraxis seit Beethoven bis heute. Auch bringt er spannende Tatsachen über die Entstehung der Sonaten, deren Charakterisierung und praktische Anregungen zu den einzelnen Sätzen. Im Anhang sind die metronomischen Angaben aus vielen Ausgaben von Haslinger (1828) bis Kreisler (1935) aufgelistet; Beethoven selbst gab für die Violinsonaten keine an. Ein «Performing Practice Commentary» ist online unentgeltlich über die Website des Verlags erhältlich. Der Kritische Bericht, je etwa 20 Seiten hinten in den Klavierparts und nur auf Englisch, erläutert die Unterschiede vom Autograf über die vielen folgenden Ausgaben bis zu Henle (1974) – vergleichend und wertend, einige davon erstmals!
In den Stimmen geben Fussnoten Hinweise auf Alternativen. Nebst der Urtextviolinstimme steht eine mit Bogenstrichen und Fingersätzen des Herausgebers zur Verfügung, die sich mit historischen Gegebenheiten auseinandersetzen, aber oft unpraktisch sind. Der grosszügige Notensatz benötigt einen Viertel mehr Seiten als die Henle-Ausgabe, was oft zu unnötiger Ausdehnung führt, z. B. in der Violinstimme des Presto op. 47 auf acht Seiten, Scherzo op. 96 auf 2½ Seiten! Trotzdem sind die neuen Erkenntnisse ein Quantensprung seit Rostals Buch von 1985.
Ludwig van Beethoven: Sonaten für Klavier und Violine, hg. von Clive Brown; Band I, BA 9014, € 39.95; Band II, BA 9015, € 44.95; Band I + II im Paket, BA 9036, € 74.00, Bärenreiter, Kassel