Klavierwerke einer Mozart-Zeitgenossin

Die Kompositionen von Sophie Westenholz, Musikerin am Hof in Ludwigslust, lohnen eine nähere Betrachtung.

Schloss Ludwigslust um 1806. Gouache von Wilhelm Barth (1779–1852). Quelle: Landesbibliothek Schwerin, Inventarnummer: 6Hz, Topografie Mappe III / wikimedia commons

Eleonore Maria Sophia Westenholz – wie sie mit vollem Namen hiess – war eine überaus vielseitig begabte Musikerin. Drei Jahre nach Mozart geboren, wirkte sie als Sängerin, Klavier- und Glasharmonikaspielerin sowie als Komponistin am Hof zu Mecklenburg-Schwerin in Ludwigslust. Daneben konzertierte sie in Städten wie Berlin, Leipzig und Kopenhagen und fand auch noch Zeit, acht Kinder quasi allein grosszuziehen. In Ludwigslust entstanden auch ihre Klavierwerke, die sie bis auf zwei unbedeutende Ausnahmen aber nie veröffentlichte.

Die vorliegenden zwei Bände «Werke für Klavier solo» sind Erstausgaben und kürzlich in der Edition Massonneau erschienen, die sich dem kulturellen Erbe Mecklenburg-Vorpommerns besonders verpflichtet fühlt. Der Herausgeber Reinhard Wulfhorst stellt den Kompositionen ein sehr aufschlussreiches Vorwort voran, das einen spannenden Einblick in das ungewöhnliche Leben der Sophie Westenholz erlaubt. Band I enthält mit der Sonate C-Dur, zwei Sonatinen, Walzern sowie einem Capriccio sozusagen die «leichteren» Stücke, während in Band II mit der Sonate in f-Moll und jener in c-Moll zwei grossformatigere, ambitioniertere Werke zu entdecken sind. Gerade diese beiden Sonaten lohnen eine vertiefte Betrachtung.

Westenholz beginnt ihre Sätze oftmals mit relativ neutralen, nicht gerade originellen Themen, aber entwickelt daraus einen höchst fantasievollen Gang durch verschiedenste Tonarten und Stimmungen. Auch vor dramatischen Zuspitzungen und virtuosen Ausbrüchen scheut sie sich nicht. Somit folgt ihre Musik zwar meist den Formen der Klassik, verweist aber gelegentlich schon auf die Frühromantik. Das ist umso erstaunlicher, als die Komponistin offenbar weder mit der Musik Beethovens noch mit jener seiner Nachfolger in Kontakt kam.

Als Pianistin spielte Sophie Westenholz an ihrem Hof vorzugsweise Werke von Mozart. Ihr letzter Auftritt fand 1813 statt. Danach zog sie sich nicht ganz freiwillig vom Podium zurück. Ihre Enkelin wusste Folgendes zu berichten: «Durch Neid und Kabale der hiesigen Mitglieder der Kapelle, die durchaus nicht von einer Frau dirigiert werden wollten, wurde sie bewogen zurückzutreten …» Sophie Westenholz starb im Alter von 79 Jahren 1838 in Ludwigslust.

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Eleonore Maria Sophia Westenholz (1759–1838): Werke für Klavier solo, hg. von Reinhard Wulfhorst; Band 1: em 0119, € 20.00; Band 2: em 0219; € 24.75; Edition Massonneau, Schwerin 2019

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