Beethovens Chormusik

Bei Carus ist ein «Chorbuch Beethoven» erschienen, das Originalwerke, Arrangements und Neukompositionen vereinigt; und Bärenreiter hat eine neue Ausgabe der «Missa solemnis» herausgebracht.

Manuskriptseite aus der «Missa solemnis». Quelle: wikimedia commons

Beethoven hat leider einen schlechten Ruf, was die Sangbarkeit seiner Werke anbelangt. Zu hoch, zu laut, zu schnell, sind gängige Vorurteile, die sich darin begründen, dass seine chorsinfonischen Werke wie die 9. Sinfonie oder die Missa solemnis sehr hohe Anforderungen an die Ausführenden stellen. Man muss dabei aber auch bedenken, dass die extrem hohen Lagen kein handwerkliches Unvermögen, sondern bewusst Grenzen überschreitendes, kompositorisches Kalkül darstellen. Seine C-Dur-Messe op. 86 ist zum Beispiel genauso gesanglich wie grosse Messen von Haydn oder Mozart. Quantitativ allerdings gibt es von Beethoven im Vergleich zu Letzteren leider nur wenig Chormusik.

Der Carus-Verlag hat nun in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Chorverband und Jan Schumacher als Herausgeber zum kommenden Beethoven-Jubiläum 2020 (250. Geburtsjahr) ein Chorbuch Beethoven herausgegeben. Neben wenig bekannten frühen A-cappella-Werken sowie Klavierfassungen aus seinem chorsinfonischen Repertoire sind geistliche und weltliche Bearbeitungen beethovenscher Musik aus drei Jahrhunderten enthalten. Darunter sind sowohl interessante Arrangements von Beethovens Zeitgenossen, einige kuriose Bearbeitungen durch Komponisten unserer Zeit (braucht man wirklich Für Elise als Alleluja-Chorstück?) und auch von Carus beauftragte Neukompositionen wie ein gelungenes Kanon-Quodlibet von Gunnar Eriksson. Unterm Strich ist dieses Chorbuch eine interessante Repertoire-Erweiterung und Fundgrube.Image

Ähnlich wie Bachs h-Moll-Messe oder Mozarts Fragment gebliebene c-Moll-Messe gehört Beethovens Missa solemnis zu den grössten geistlichen Werken aller Zeiten. Sie stellt sehr hohe Anforderungen an die Ausführenden, sprengt den liturgischen Rahmen und ist für eine gottesdienstliche Verwendung kaum nutzbar. Einige für die damalige Zeit bahnbrechende Kompositionsideen sind das vokale Grenzen weit überschreitende, sich unermesslich steigernde Gloria in excelsis Deo, das einzigartige Et incarnatus est mit der Lebensodem einhauchenden Solo-Flöte, der mystische Schluss des Et vitam venturi saeculi mit den davor nicht enden wollenden Amen-Rufen, das mit der Solo-Violine zwischen Himmel und Erde schwebende Benedictus und das Agnus Dei, das mit der eindrucksvollen Solo-Pauke eine Kriegsszene darstellt und Beethovens ausdrückliche Bitte nach «innerem und äusserem Frieden» in Töne setzt.

Der Bärenreiter Verlag hat die Missa solemnis in einer sehr empfehlenswerten, vorbildlichen Edition herausgegeben. Die neue Urtext-Ausgabe des Werkes berücksichtigt alle Quellen einschliesslich der alten und neuen Gesamtausgabe. Dabei kommt der renommierte Beethoven-Spezialist Barry Cooper an etlichen Stellen zu abweichenden Lesarten, etwa im Sanctus, wo der Chor statt der Solisten einsetzt und nicht erst im Pleni sunt coeli. Ebenso erwähnenswert ist die Einbeziehung der Solisten zusätzlich zum Chor im überwiegenden Teil des Credos. Diese Sachverhalte und zahlreiche editorische Entscheidungen werden im ausführlichen Kritischen Bericht (engl.) dokumentiert.

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Beethoven-Chorbuch, 41 Chorwerke SATB; Chorleiterband mit CD, CV 4.025, € 33.90; Chorbuch, CV 4.025/05, € 12.80; Carus, Stuttgart 2019

Ludwig van Beethoven: Missa solemnis op. 123, hg. von Barry Cooper; Partitur, BA 9038, € 98.00; Klavierauszug, BA 9038-90, € 13.50; Bärenreiter, Kassel 2019

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