Lange vernachlässigte Originalfassung

Das einzige Klavierkonzert von Antonín Dvořák wurde lange in einer bearbeiteten Version aufgeführt oder fiel ganz aus dem Repertoire. Zu Unrecht!

Antonín Dvořák 1868. Foto: Anonyme Aufnahme aus dem Dvořák-Museum in Prag / wikimedia commons

Denkt man an Dvořáks Solokonzerte, dann sicher in erster Linie an sein geniales
Cellokonzert op. 104, «das perfekte Konzert überhaupt», so der Pianist (!) Rudolf Buchbinder. In zweiter Linie dann wohl an das Violinkonzert op. 53. Seinem einzigen Klavierkonzert in g-Moll op. 33 begegnet man in unseren Konzertsälen eher selten. Was sind die Gründe dafür?

Dvořák besass zu jener Zeit als Komponist bereits einige Erfahrung auf dem Gebiet der Kammermusik und der Sinfonie. Seine ganz eigene Klangsprache offenbart sich in den drei Sätzen des Werkes aber erst zum Teil. Noch sind Anleihen von Meistern wie Beethoven, Chopin, Wagner und Brahms unüberhörbar. Dies vor allem im Kopfsatz, während der langsame zweite Satz schon sehr persönliche Züge verrät. Was aber viele Pianisten immer wieder davon abgehalten hat, dieses Konzert ins Repertoire aufzunehmen, ist wohl der sperrige, unbequeme Klaviersatz, der zwar stellenweise bezaubernd klingt, aber kein virtuoses Auftrumpfen zulässt.

Aus diesem Grund sah sich vor etwa 100 Jahren der tschechische Klavierpädagoge Vilém Kurz veranlasst, den Solopart gründlich zu überarbeiten. Jahrzehntelang scheint nur noch seine Fassung gespielt worden zu sein. Einer der ersten Pianisten, die sich für die Originalversion stark machten, war kein geringerer als Swjatoslaw Richter. Er spielte das Konzert recht häufig und nahm es 1976 mit dem Bayerischen Staatsorchester (unter Carlos Kleiber!) sogar auf.

Kürzlich hat Robbert van Steijn diese Originalfassung im Bärenreiter-Verlag neu herausgegeben, sowohl den Klavierauszug wie auch die Partitur. Im Vorwort erfährt man allerhand Erhellendes über die komplizierte Rezeptionsgeschichte, und Ivo Kahánek steuert noch einige sehr brauchbare Tipps zu Interpretation und Fingersatz bei.

Das steigende Interesse an Dvořáks Klavierkonzert gerade in letzter Zeit ist nicht zu übersehen. Die neue Bärenreiter-Ausgabe wird diesen Trend vermutlich noch verstärken. András Schiff hat wohl nicht unrecht, wenn er meint: «Zahlreiche Klavierkonzerte des 19. Jahrhunderts, welche zum Repertoire vieler Pianisten gehören – und viel zu häufig erklingen –, sind pianistisch nicht weniger kompliziert, ohne dass sie Dvořáks Werk im musikalischen Ausdruck und kompositorischen Können erreichen würden.»

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Antonín Dvořák: Konzert g-Moll op. 33 für Klavier und Orchester, Urtext hg. von Robbert van Steijn; Partitur, BA 10420, € 59.00; Klavierauszug, BA 10420-90, € 32.50; Bärenreiter, Prag

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