Fundgruben

Wenig bekannte Chorkompositionen aus Luxemburg, Frankreich und Deutschland, die den Vergleich mit «Blockbusters» nicht zu scheuen braucht.

Foto: London Wood Co. / unsplash.com

«Repertoire ist eine Lebensfrage.» Eric Ericson, die schwedische Chorlegende, lebte wie kein anderer dieses immer wieder zutreffende Credo und gab es überzeugend seinen Studierenden (zu denen auch der Autor dieses Textes gehören durfte) mit auf den Weg. Auf der Suche nach spannendem Repertoire treffen Chorleiterinnen und Chorleiter in den hier vorgestellten neuen Sammlungen mit Musik aus Luxemburg und Frankreich, wie auch den oratorischen Werken um J. S. Bach auf echte Fundgruben.

Die geistlichen Vokalwerke des in unseren Breiten relativ unbekannten luxemburgischen Komponisten Laurent Menager (1835–1902) sind in einer vorbildlichen Edition beim Verlag Merseburger erschienen, als Band 3 der gross angelegten Kritischen Gesamtausgabe innerhalb des Forschungsprojektes «Musique luxembourgeoise» an der Universität Luxemburg.

Menager studierte Mitte des 19. Jahrhunderts in Köln beim Chopin- und Mendelssohn-Freund Ferdinand Hiller. Seine Kirchenmusik steht in der Tradition der deutschen Spätromantiker und zeichnet sich aus durch eine schlichte Textbehandlung sowie Bevorzugung einer homofon-syllabischen Satzweise. Der Band enthält viele klangschöne, kurze und leicht ausführbare, deutsche und lateinische A-cappella-Werke (einige auch mit Orgelbegleitung), die als Kirchenlieder, Marienlieder und Tantum-ergo-Kompositionen ideal für die katholische Liturgie geeignet sind.

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In Französische Chormusik, erschienen beim Carus-Verlag, finden nicht nur Leiter katholischer Chöre ein stilistisch breit angelegtes geistliches Repertoire mit einigen bekannten Werken, aber vor allem vielen lohnenden Neuentdeckungen und Erstausgaben. Die Werke in lateinischer und französischer Sprache, viele auch mit Orgelbegleitung, sind grösstenteils nicht besonders schwierig, hauptsächlich vierstimmig mit weiteren kleinen Stimmteilungen und überkonfessionell wie auch konzertant gut einsetzbar. Der Herausgeber Denis Rouger, Chorleitungsprofessor in Stuttgart, konnte bei dieser liebevollen Zusammenstellung auf seine langjährige Erfahrung als Kapellmeister an den Pariser Kirchen Notre-Dame und La Madeleine zurückgreifen und ergänzt die Edition mit einer CD mit ausgewählten Werken, klangschön gesungen von seinem Kammerchor figure humaine.

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In den letzten Jahren bieten die Urtext-Ausgaben von Breitkopf & Härtel eine hervorragende Fundgrube für oratorisches Repertoire: seien es die Neuausgaben von «Blockbusters» wie Händels Messias (sehr empfehlenswerte Kritische Ausgabe mit vielen neuen Perspektiven, Partitur PB 5560) oder Mozarts c-Moll-Messe (einfühlsame Rekonstruktion von Clemens Kemme, PB 5562), aber auch neu zu entdeckende Werke um Bach herum, die häufigere Aufführungen verdienen würden.

Besonders hervorzuheben sind die Neuerscheinungen des böhmischen, von J. S. Bach hochgeschätzten Barockkomponisten Jan Dismas Zelenka. Sowohl sein Miserere c-Moll (ZWV 57, PB 5594), als auch seine Missa votiva (ZWV 18, PB 5577) sind Meisterwerke seines kirchenmusikalischen Schaffens für die Dresdner Hofkirche. Sie kommen mit einer kostengünstigen Orchesterbesetzung (zwei Oboen, Streicher und Basso continuo) aus und sind dennoch reich an Formen und Farben.

Eine wirklich lohnende Wiederentdeckung bieten die Werke von Johann Kuhnau, direkter Amstvorgänger Bachs an der Leipziger Thomaskirche. Sein neu erschienenes Magnificat mit weihnachtlichen Einlagesätzen ist eine echte Bereicherung für festliche Weihnachtskonzerte mit Solisten, Chor und Orchester (EB 32108).

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Zwischen den Passionen Bachs, deren Wiederentdeckung und Carl Loewes Das Sühnopfer des neuen Bundes steht das einstündige, nicht allzu schwer ausführbare Passionsoratorium Gethsemane und Golgatha von Friedrich Schneider aus dem Jahr 1838. Die textnah-plastische und süffige Vertonung erinnert mit opulenten Chören an Mendelssohn, enthält nur wenige Arien und bezieht die Gemeinde mit Passionschorälen ein. Eine interessante Bereicherung für Passionskonzerte, aber auch als Karfreitagsmusik im Gottesdienst bestens geeignet.

Laurent Menager: Geistliche Vokalwerke für gemischten Chor SATB, Männerchor TTBB, Singstimmen Solo und Duo, (=Kritische Gesamtausgabe Band 3), hg. von Alain Nitschké und Damien Sagrillo, Partitur, EM 2600, € 140.00, Merseburger, Kassel 2018

Französische Chormusik, 45 geistliche Chöre und Motetten von 15.–21. Jahrhundert, hg. von Denis Rouger, Chorleiterband mit CD, CV 2.311, € 27.90, Carus, Stuttgart 2018

Johann Kuhnau: Magnificat C-dur mit Einlagesätzen für die Aufführung zur Weihnachtszeit, hg. von David Erler , Partitur, PB 32108, € 54.00, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2018

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