Ein «neues» Streichquartett von Janáček
Mit Hilfe von Techniken aus Janáčeks originalen Streichquartetten, hat Kryštof Mařatka das Bläsersextett «Mládí / Die Jugend» für eine neue Besetzung erobert.

1924 entstand zu Janáčeks 70. Geburtstag das Sextett Mládí als Suite in der seltenen Besetzung für Flöte, Oboe, Klarinette, Bassklarinette, Horn und Fagott. Das in der tschechischen Musik stark verwurzelte klassische Bläserquintett erweiterte er also um die Bassklarinette, die zwar einen ähnlichen Tonumfang aufweist wie das Fagott, aber zu einer ganz eigenwilligen, zwischen lärmender Rauheit und geheimnisvollem Raunen changierenden Vielfarbigkeit fähig ist und hier ein noch stärker eingedunkeltes Fundament in das Werk einbringt. Die Register teilen sich nun in ausgewogene je zwei diskante, mittlere und tiefe Lagen. Die charakterstarken Einzelinstrumente mit ihren in den Übergangsbereichen der Register oszillierenden Tonschwebungen tragen viel zur Faszination dieses Werkes bei, das immer wieder an die Anfangspassagen von Sacre du Printemps erinnert, wo dieselben Instrumente dominieren.
Diese Partitur nun in die eher monochrome Welt des Streichquartetts mit seinem so homogenen Klangbild zu transferieren, ist ein Wagnis, wie der Bearbeiter, der Komponist Kryštof Mařatka, selbstkritisch feststellt. Man darf durchaus behaupten, man habe es durch diese ungewöhnliche, aber hervorragend gemachte Arbeit mit einem neuen Stück zu tun, das wiederum viel mit Janáček und seinen originalen Streichquartetten verbindet. Das erste Quartett, Kreutzersonate, entstand 1923 vor Mládí, das zweite kurz vor Janáčeks Tod. In beiden nutzt er instrumentale und musikalische Techniken, die nichts Vergleichbares bei anderen Komponisten kennen und diese Werke zu Ikonen der expressionistischen klassischen Moderne machen. Selbstverständlich hat der Bearbeiter Mařatka diese Partituren gründlichst studiert und sich teilweise sogar erlaubt, die vorgefundenen Techniken in seine Streicherbearbeitung einzufügen, obwohl das Ausgangsmaterial für Bläser sie natürlich nicht enthält. Diese Freiheit der Umwandlung mag man kritisieren, aber sie macht es möglich, das Stück in die ästhetische Nähe der Streichquartette zu rücken und ihm quasi eine Originalität zu verleihen, die Janáček nachempfunden ist. Zum Glück sind solche Experimente heute nicht mehr grundsätzlich verpönt, wodurch dem Kanon der janáčekschen Quartette ein hörenswertes neues «kleines» Familienmitglied an die Seite gestellt wird.
Leoš Janáček: Mládí / Die Jugend, für Streichquartett bearb. von Kryštof Mařatka; Stimmen, BA 11543, € 19.95; Studienpartitur, TP 521, € 19.95; Bärenreiter, Prag 2017