Leidenschaftlich drängender Impuls
Die vier Streichquartette von Friedrich Theodor Fröhlich werden im Amadeus-Verlag herausgegeben. Das g-Moll-Quartett orientiert sich an Bach, Beethoven, Mendelssohn und ist zugleich sehr eigenständig.
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In Aarau, nahe seiner Heimatstadt Brugg, fühlte er sich musikalisch lebendig begraben, hatte er doch einige Jahre die so viel weltläufigere, kultursatte Luft des fernen Berlin geatmet. Zugegebenermassen nicht nur zu seinem Vorteil, denn Friedrich Theodor Fröhlich (1803-1836) war zwar ein hochintelligenter, reich talentierter und belesener, aber grüblerischer, zeitweilig streitlustiger und vor allem übersensibler junger Mann. In Berlin begegnete er zwar Grössen seiner Zeit wie Felix Mendelssohn, studierte sogar bei dessen Lehrer Carl Friedrich Zelter, blieb aber eine herablassend mild belächelte Aussenseiterfigur, die jede Zurückweisung und Ignoranz seinem Werk und seiner Person gegenüber in bitterste Frustration verwandelte, die ihn zeitlebens zerfrass und schliesslich zum Selbstmord trieb. Seine emotionale Erregbarkeit, sein nach Schönheit hungernder Geist bildeten das grosse thematische Reservoir für eine erfolgreiche, ausdrucksstarke künstlerische Entwicklung. Es hätte aber einer stabileren Grundverfassung und mehr äusserer Unterstützung bedurft, um für die nötige Disziplin und die ökonomischen Rahmenbedingungen zu sorgen. So war Fröhlich ein grosses Talent, nach derzeitigem Kenntnisstand sogar das bedeutendste der frühromantischen Epoche in der Schweiz, das viel zu früh an sich und seiner Umwelt scheiterte.
Die volle Erschliessung seines Werkes ist trotz der relativ kurzen Schaffensperiode noch lange nicht abgeschlossen. Einer Initiative der Internationalen Fröhlich-Gesellschaft und des Amadeus-Verlages in Winterthur ist zu verdanken, dass unter anderem die Serie der vier nachgelassenen Streichquartette vollendet wurde, die zu seinen ambitioniertesten und besten Schöpfungen gehören. Dem leidenschaftlich drängenden Impuls seiner Zeit gehorchend, weisen sie Eigenständigkeiten auf, die das Fehlen späterer Werke umso schmerzlicher machen. Dies umso mehr, als Fröhlichs Ende in jene Zeit fiel, als Beethovens dominierender Gattungsbeitrag zu einer Lähmung des Streichquartetts führte, die nach Mendelssohn erst Robert Schumann zu durchbrechen verstand. Zuvorderst seien Fröhlichs wunderbare, durchglühte, gesungene Themen gerade in den langsamen Sätzen genannt, aber auch seine formale Experimentierfreude, das Risiko harmonisch überraschender Wendungen, die immer mitreissende Konversation der Instrumente. Mag sein, dass er seine Musik zuweilen inhaltlich überstrapaziert, zu viel will und dadurch an gedanklicher Kohärenz verliert. Sein Urmusikantentum aber macht diese Unzulänglichkeiten längst wett mit publikumswirksamer Dramatik und erzählerischer Dichte, die sich immer des Beifalls und der Aufmerksamkeit seiner Zuhörer sicher sein darf.
Diesem noch immer als Geheimtipp gehandelten Schweizer mehr Geltung zu verschaffen, dürfte das – wie immer im Amadeus-Verlag – auf höchstem Niveau veröffentlichte g-Moll-Streichquartett (von vier Quartetten sind übrigens drei in Moll) helfen. Fröhlichs Ikonen Bach, Beethoven und Mendelssohn sind hier omnipräsent, fügen sich unter seiner Kreativität ein in den schliesslich doch dominierenden Genius eines originellen und nicht im mindesten epigonalen Meisters.
Es beginnt ungewöhnlich mit einem ergreifenden, hymnischen Thema mit vier herrlich ausgezierten Variationen im Andante, die alle Instrumente aufs Schönste zur Geltung bringen. Der zweite Satz ist ein rasches Scherzo in beethovenscher Manier, das es trotz aller Akzentuierungen schafft, heiter wie ein Walzer zu klingen. Das Largo cantabile verschreibt sich ganz dem innigen Hauptthema und seiner Modulation; das Allegro molto schliesslich beginnt düster und geheimnisvoll und hätte vom thematischen Material her für ein fulminantes Finale sorgen können. Fröhlich hält sich immer wieder mit etwas kurzatmigen Dialogen auf, die den aufkommenden Drive bremsen und den grossen mitreissenden Sog verhindern. Es ist dennoch absolut hörenswerte Musik.
Friedrich Theodor Fröhlich: Streichquartett in g-Moll, hg. von Gerhard Müller, Partitur und Stimmen BP 2824, Fr. 62.00, Amadeus-Verlag, Winterthur 2018