Andächtige Meditation
Josef Suks schrieb seine Meditation über den altböhmischen Wenzelschoral zuerst für das Tschechische Streichquartett, bei dem er die zweite Geige spielte, später gab er auch eine Version für Streichorchester heraus.
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Seit das Urheberrecht an den Kompositionen von Josef Suk (1874–1935) abgelaufen ist, trifft man seine gewichtigen Partituren (allen voran die sinfonische Dichtung Asrael) wenigstens auf frisch produzierten CDs wieder an – ein Phänomen, das sich in Zeiten knapper Kassen auch schon bei anderen Meistern zeigte. Diese Freigabe ermöglicht aber auch die Herausgabe neuer, korrigierter Notenausgaben, die in der Regel unter Einbeziehung aller verfügbaren Quellen dann mit dem Prädikat «Urtext» beworben werden. So auch im Fall von Suks Meditation über den jahrhundertealten, musikgeschichtlich bedeutsamen Wenzels-Choral.
Mit 85 Takten Umfang, einer Spielzeit von ca. 7 bis 8 Minuten und seiner andächtig-erhabenen Gestalt stellt er sowohl in der ursprünglichen Fassung für Streichquartett wie auch in der nur wenig später entstandenen für Streichorchester zwar eine willkommene Erweiterung des Repertoires dar, bedarf allerdings auch einer erklärenden Einordnung – war der Satz doch 1914 mit all den historischen Implikationen der Melodie als tschechisch-nationale Ergänzung (wenn nicht gar Entgegnung) zu der in Ganz-Kakanien seit Kriegsausbruch vorgeschriebenen Kaiserhymne gedacht, mit der jedes Konzert eröffnet werden musste. Ein aufgeklärtes Auditorium kann damit umgehen; vor Vereinnahmungen Ewiggestriger ist das Werk freilich auch heute nicht geschützt.
Josef Suk: Meditation über den altböhmischen Choral «St. Wenzeslaus» für Streichorchester op. 35a, hg. von Zdeněk Nouza, Partitur BA 9584, € 17.95, Bärenreiter, Prag 2017
id., für Streichquartett, Taschenpartitur TP 583, € 10.50