Auf dem Klavierolymp

Zwei absolute Spitzenwerke des Repertoires, Klavierkonzerte von Beethoven und Mozart, in neuen Ausgaben.

Foto: Ochileer/flickr.com

Mozarts Klavierkonzert in c-Moll – bewundert nicht nur von Beethoven und offensichtlich Inspirationsquelle für sein eigenes in der gleichen Tonart – verdient unter den vielen grossartigen Konzerten des Meisters wohl einen Ehrenplatz. Anders als im Schwesterwerk in d-Moll ist der Solopart noch konsequenter mit dem Orchester verwoben, was besonders im ersten Satz zu sinfonischen Wirkungen führt. Im mittleren Larghetto dann herrscht reinste Kammermusik im Dialog mit den solistischen Bläsern. Und das Finale endet – ganz aussergewöhnlich und nicht wie bei Beethoven etwa – kompromisslos in Moll.

Ernst Herttrich vom Henle-Verlag hat nun das Meisterwerk neu herausgebracht. Der Klavierauszug, die Fingersätze, Kadenzen und Eingänge stammen von András Schiff. Der Verlag hat damit im wörtlichsten Sinne ein gutes Händchen bewiesen: Der Orchesterpart im Klavierauszug ist auf raffinierte Art einfach gehalten, fast vom Blatt zu spielen und klingt dennoch farbig. Die Fingersätze sind auch für den Normalverbraucher durchaus zu empfehlen. Nicht immer trifft das zu, wenn grosse Künstler ihre ganz persönlichen Spielrezepte zum Besten geben …

Und schliesslich überzeugen auch Schiffs Kadenzen und Eingänge, die viel Stilgefühl und Praxis verraten. Besonders bemerkenswert: Am Ende der grossen Kadenz im ersten Satz zitiert Schiff wörtlich das Ende der Durchführung und schafft so einen zwingenden Übergang ins Tutti. All diese Zusätze und auch einige Varianten aus Mozarts Feder sind unaufdringlich ins übersichtliche Notenbild integriert. Eine mustergültige Ausgabe!Image

Einen ganz anderen Ansatz wählte der Bärenreiter-Verlag für die neue Urtext-Ausgabe von Beethovens fünftem Klavierkonzert, das ja noch stärker zu sinfonischem Ausmass neigt. Und üppig ist auch das Resultat, das uns Herausgeber Jonathan Del Mar präsentiert. Er hat nicht nur eine grosse Studienpartitur in akribischer Kleinstarbeit von Fehlern bereinigt, sondern liefert dazu auch gesondert eine Solostimme, einen Klavierauszug und einen umfangreichen und interessant bebilderten Kritischen Kommentar.

Man kann die Sorgfalt und den Aufwand des Herausgebers nicht hoch genug würdigen. Das Problem liegt indes im Konzept: Was bringt eine gesonderte Stimme des Klaviersolos, in der nur dann und wann der Orchesterpart ersichtlich ist? Gerade bei diesem Konzert möchte man doch ständig eine Gesamtübersicht haben. Und umgekehrt ist im Klavierauszug, den Martin Schelhaas im Übrigen ganz hervorragend gesetzt hat, der Solopart nur kleingedruckt beigefügt, was optisch nicht überzeugt.

So ist also diese Neuausgabe leider weder praktisch für jemanden, der den Solopart lernen möchte, noch für den Korrepetitor und somit auch im Unterricht wenig hilfreich. Die Partitur hingegen lehrt einen viel über ein Werk, das man schon zu gut zu kennen glaubte …Image

Wolfgang Amadeus Mozart, Klavierkonzert c-Moll KV 491, hg. von Ernst Herttrich, Klavierauszug, Fingersatz, Kadenzen und Eingänge von András Schiff, HN 787/ EB 10787, € 18.50, G. Henle, München/Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2015

Ludwig van Beethoven, Konzert Nr. 5 in Es-Dur op. 73 für Klavier und Orchester, hg. von Jonathan Del Mar; Partitur, BA 9025, € 45.50; Klavierauszug von Martin Schelhaas, BA 9025-90, € 24.95; Kritischer Bericht, BA 9025-40, € 41.50; Bärenreiter, Kassel 2015

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