Musik für Saitenclavier
Erweiterungen für das Repertoire sowie Bekanntes mit Fingersätzen und praktischen Hinweisen.
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Das «Camphuysen»-Manuskript, ein Album eines anonymen holländischen Dilettanten aus der Zeit um 1650, ist bereits 1961 von dem jüngst verstorbenen Alan Curtis ediert worden, damals allerdings ohne die neun Intavolierungen von Genfer Psalmen, die nun hier berücksichtigt sind. Nicht alle Stücke sind wirklich ergiebig: Sieben der zwölf Sätze sind einfache Harmonisierungen, deren Oberstimmen allerdings – aufführungspraktisch interessant – reich mit Trillern und Mordenten versehen sind. Insofern sind sie willkommene Zuwächse zur Literatur rund um den Genfer Psalter. Musikalisch am wertvollsten ist allerdings die weltliche Beigabe, eine anonyme drei-versige Bearbeitung der englischen Melodie Daphne.
Die vier Partiten von Georg Muffat, eine Erstausgabe nach einer wieder in Berlin befindlichen Handschrift (SA 4581), sind ein echter Repertoiregewinn. In letzter Zeit traten die Tastenwerke dieses für die Aufführungspraxis barocker Ensemblemusik so wichtigen Komponisten zunehmend ins Bewusstsein. Gegenüber den 2003/04 nach einer Wiener Handschrift edierten Partiten (Bärenreiter BA 8419 und 8460) ist das Notenbild hier angenehmer und leichter lesbar. Die Partita in F-Dur erscheint in beiden Editionen; allerdings sind – was der Herausgeber ungenau referiert – nur fünf Tänze gemeinsam, und beide Versionen enthalten noch zusätzlich je drei Sätze als Unikate.
Womit sollen Verlage nach Abschluss der Gesamtausgaben der zugkräftigen Komponisten noch Geld verdienen? Der Bärenreiter-Verlag legt einzelne Werke aus der Neuen Bach-Ausgabe neu auf, allerdings ergänzt um Fingersätze namhafter Interpreten. Die deutsche Pianistin Ragna Schirmer hat sich für die Goldberg-Variationen dieser Aufgabe unterzogen. Ihre Einträge garantieren weitgehend pianistisch-sicheres Legato. Merkwürdig ist, dass manchmal auch Fingersätze fehlen, wo sie dringend benötigt würden. Die Zuordnungen der Mittelstimmen zu einem der beiden Systeme mittels eckiger Klammern sind meistens hilfreich. Die Leserlichkeit hätte der Verlag an diesen Stellen jedoch verbessern können, wenn auch die Noten ins entsprechende System überführt worden wären, anstatt nur die alte Ausgabe zu übernehmen. Wertvoller sind da Schirmers «sopra»-Vermerke, um die gegenseitige Stellung der sich kreuzenden und ineinander greifenden Spielhände auf dem einmanualigen Klavier anzudeuten. Letztlich wundere ich mich aber, dass noch heute ein bachsches Werk, cembalistisch wie kein anderes, kommentarlos als Werk für modernes Klavier herausgegeben wird.
Neuf psaumes pour instruments à clavier suivis d’une page profane Daphne (après 1652), Extraits du Recueil de Camphuysen, CD 3099, Fr. 18.00, Editions Cantate Domino, Fleurier
Georg Muffat, Vier Partiten für Cembalo (D-Bsa SA 4581), Erstausgabe der vier unveröffentlichten Partiten aus dem Archiv der Sing-Akademie zu Berlin von Markus Eberhardt, EW 796, € 17.50, Edition Walhall, Magdeburg
Johann Sebastian Bach, Goldberg-Variationen, Vierter Teil der Clavier-Übung BWV 988, Urtext hg. von Christoph Wolff, BA 10848, € 10.95, Bärenreiter, Kassel