Spätromantische Suite
Charles-Marie Widor hat sich hier für einmal nicht der Orgel, sondern der Flöte gewidmet.
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Der französische Pianist und Organist Charles-Marie Widor (1844–1937) ist vor allem für seine Orgelwerke bekannt, obwohl sein Œuvre auch viel Kammermusik umfasst. Allerdings hatte nur die Suite op. 34 für Flöte und Klavier ähnlichen Erfolg wie die Kompsitionen für Orgel, weil sie möglicherweise eine Lücke an spätromantischen Werken im Flötenrepertoire schliesst.
Eines der bekanntesten Stücke daraus ist der dritte Satz, die «Romance», die etwas an die Drei Romanzen für Flöte und Klavier von Robert Schumann op. 94 erinnert. Dieser Satz ist auch in der Orchestersuite op. 64 enthalten und dort von Widor selbst für Soloflöte und Orchester bearbeitet worden. Der bekannte Flötist Georges Barrère hatte den Komponisten zwar um die Orchestrierung der ganzen Suite gebeten, was dieser jedoch ablehnte, woraufhin Barrère dann das Scherzo selbst orchestrierte und beide Sätze oft mit Orchesterbegleitung aufführte.
Die Komposition ist vermutlich 1885 oder 1886 im Pariser Verlag Hamelle erschienen und wurde dann 1897 in das Programm des Verlags Heugel aufgenommen. Anschliessend wurde das Werk vom Komponisten selbst überarbeitet und im Finale erweitert. Da die handschriftliche Quelle fehlt, bildet die überarbeitete Fassung die Quelle für die Urtextausgabe bei Henle. Sie bereichert die Palette der bisherigen Editionen auch durch ihre Gestaltung, so ist z. B. der Notendruck übersichtlich und gut lesbar, ausserdem mit ausklappbaren Seiten erweitert, um «gutes Blättern zu ermöglichen», wie der Verlag schreibt. Am Schluss der Edition weist der Herausgeber auf Unstimmigkeiten in Phrasierung, Artikulation und Dynamik innerhalb der verschiedenen Fassungen hin. Der Klavierpart wurde von Klaus Schilde mit Fingersätzen versehen.
Charles-Marie Widor, Suite op. 34 für Flöte und Klavier, Urtext hg. von Ernst-Günter Heinemann, HN 1218, € 16.00, G. Henle, München 2014