Meinrad Schütter: Zu Unrecht vernachlässigt
Ute Stoecklins Schütter-Biografie ist 2010 erschienen. In England ist jetzt eine überarbeitete Version auf Englisch herausgekommen. Dies nehmen wir zum Anlass, Torsten Möllers Rezension vom März 2011 hier öffentlich zugänglich zu machen.
«Was für ein Werk!! Und wer weiss etwas davon? Ich denke, das ist schon etwas ganz Besonderes. Und wie unterscheidet sich das gegenüber der Geschäftigkeit, die heute herrscht.» Robert Suter hat im Brief an seinen Kollegen und Zeitgenossen Meinrad Schütter (1910–2006) in wenigen Worten Wesentliches erfasst: Zum einen die Begeisterung über das ebenso reichhaltige wie absonderliche Schaffen eines Komponisten, der viele Klavierlieder schuf, zahlreiche opulente Orchesterwerke, eine grosse Oper namens Medea und sich in Form einer Grossen Messe sogar der im 20. Jahrhundert prekär gewordenen Kirchenmusik zuwandte. Zum anderen kommt in Suters Worten der Aussenseiter Schütter zur Sprache. Seitdem Carl Vogler in kaum erträglicher Arroganz dem jungen Komponisten die Aufnahme in den Tonkünstlerverein verweigerte, hat Schütter im Schweizer Musikleben nie richtig Fuss fassen können. Lag es an seinem eigenartigen Temperament, an der latenten Sperrigkeit seiner Werke oder an konservativen Gralshütern wie dem Herrn Präsidenten Vogler?
Das von Ute Stoecklin, der langjährigen Wegbegleiterin Meinrad Schütters, verfasste Buch gibt Antworten. Reich an biografischen Fakten, ausgestattet mit zahlreichen Originaldokumenten und Fotografien, nicht zuletzt mit vielen Werkbetrachtungen und einem beeindruckenden Werkverzeichnis gelingt es ihm, Schütter von verschiedenen Seiten zu porträtieren. Vielleicht hatte der Platz, den Stoecklin vielen Zeitzeugen inklusive auf Dauer redundanter Lobeshymnen einräumte, besser genutzt werden können für differenzierte Werkanalysen, vielleicht hätte ein Autor mit nüchterner und distanzierter Aussenperspektive dem Buch gut getan – Stoecklins Verdienst bleibt von solcherlei Kritik unangetastet: Mit ihrer 230-seitigen, gründlich lektorierten Biografie ist die Basis geschaffen für eine tiefer gehende Beschäftigung mit einem Komponisten, der – eine beigefügte CD vorwiegend mit Kammermusik stellt es musikimmanent unter Beweis – zu Unrecht zu einem Vernachlässigten wurde.
Ute Stoecklin: Meinrad Schütter 1910–2006, Lebenswerk Musik oder «Die Kunst, sich nicht stören zu lassen», 230 S., mit CD, Fr. 44.50, Müller & Schade, Bern 2010, ISBN 3-905760-06-4
Englische Neuausgabe
Meinrad Schütter – Maverick Swiss Composer, by Ute Stoecklin, translation by Chris Walton. 188 pages, 23.3 x 15.5 cm, 16 colour and 33 b/w illustrations, hardcover, ISBN: 978-0-907689-70-6