Glücksmomente beim Üben – nur wie?

Corina Nastoll schlägt abwechslungsreiche Übungen vor und fördert das selbstbestimmte Lernen, damit bei der Arbeit am Instrument oder mit der Stimme kein Frust aufkommt.

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«Üben ist eine grosse, ewige, fantasievolle Spielwiese.» Ja, der Musikpädagoge Christoph Richter hat recht. Sich mit seinem Instrument oder seiner Stimme zu beschäftigen, ist ein endloser, manchmal auch schwieriger Prozess. Wichtig ist vor allem Kontinuität. Doch leichter geschrieben als getan: Beim Erwachsenen ist das Zeitmanagement ein Problem. Beim Kind gilt es, die Spielfreude zu erhalten, sodass es nicht nur nach den Ermahnungen der Eltern das Übezimmer betritt.

Corina Nastoll präsentiert im Sonderheft der Zeitschrift üben & musizieren einen reichhaltigen Überblick. Sie gibt ganz konkrete Tipps zur Gestaltung des Instrumental- oder Gesangsunterrichts. Da werden schöne Aufwärmübungen vorgestellt, vielfältige Stimulierungen intrinsischer Motivation gezeigt. Und nicht vergessen: Auch die Schülerin, die nicht zum Üben kam, kann im Unterricht lernen. Etwas improvisieren zum Beispiel, eine einfache Melodie rhythmisieren oder auch Blattspiel üben. Da sind schnell 40 bis 60 Minuten nicht nur vorüber, sondern sinnvoll genutzt.

Üben geht klar! macht Spass. Und das liegt auch daran, dass für Nastoll Verzagen kein Thema ist. Als ausgebildete Musikpädagogin kennt sie die grössten Fehler vergangener Zeiten. Obsoletem Perfektionswunsch antwortet sie mit willkommener Fehlerkultur, übertriebenen Stil-Fixierungen mit flexiblem Unterricht, und schliesslich, vermutlich das Wichtigste: Sie plädiert für Selbstbestimmung des Schülers: Wo will ich hin? Welches Stück gefällt mir? Wie viel Zeit will ich mir nehmen? Wie fand ich den letzten Unterricht?

Das gut lesbare und obendrein schön gestaltete Heft ist sicherlich dem Instrumentallehrer von grossem Nutzen. Doch auch Eltern oder Schüler sollten sich ruhig die Zeit nehmen, die 44 Seiten an zwei Abenden zu lesen. Man bekommt jedenfalls richtig Lust, sich nach der Lektüre wieder ans Klavier zu setzen, um manche Dinge auszuprobieren. Da wäre die Übung namens «Eule», die schon vor der Übeeinheit für Lockerung und Durchblutung sorgt. Oder der Monotonie vorbeugende Wechsel von Übungen: mal zwei Takte auswendig lernen, dann ein freies Akkordspiel, am Ende dann vielleicht weiter am Paradestück arbeiten.

Bei all den freudvoll beschriebenen Tipps und Übungen schafft es Nastoll en passant, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, womit einen das eigene Musizieren und Üben belohnt. Sehr eindrücklich fasst es am Ende des Heftes der zitierte Peter Röbke zusammen. Laut dem verdienten Musikpädagogen bekommen wir durch funktionierendes Lernen: «Glücksmomente, Versunkensein in den Klang und wirkliches Hin-Horchen, Dialog und Zuwendung, Aufgehen im selbstvergessenen Spiel, Affektdurchbruch und Gestaltung, Verkörperungen und leibliches So-Sein, beinahe spirituelle Erfahrungen, Als-Ob, Verwandlungen.» Ja, wenn das keine Argumente sind!

Corina Nastoll: Üben geht klar! Effizient und mit Freude üben, 44 S., € 18.50, Schott, Mainz 2023, ISBN 978-3-7957-3094-9

 

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