Ecole classique

Paolo Crivellaro legt mit seinem Buch die Grundlage für eine stilistisch adäquate Auseinandersetzung mit der französischen Orgelschule von Beginn des 17. bis Mitte 18. Jahrhunderts.

Paolo Crivellaro. Foto: zVg

Bereits 2015 hatte Paolo Crivellaro, Professor für Orgel an der Universität der Künste Berlin, mit seinem Buch Die Norddeutsche Orgelschule (Carus) ein Standardwerk vorgelegt, das eine umfassende Sammlung kommentierter Quellen zu Aufführungspraxis und Instrumentarium dieser Orgellandschaft bietet. Nun erscheint ein vergleichbares Werk, in dessen Zentrum die französische Ecole classique steht.

Nach einem ersten Überblick über das Repertoire, die Quellen und den liturgischen Kontext der Musik von Beginn des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts wird das spezifische Instrument im Detail beschrieben, bevor anhand von Registrierungshinweisen die charakteristischen Mélanges der französischen Schule besprochen und mit zahlreichen Zitaten und Notenbeispielen illustriert werden. Kapitel über die schwierige Frage der Inégalité, zu Tempo, Ornamentik und Fingersetzung ergänzen die Fülle von Informationen um jene Aspekte der historisch informierten Aufführungspraxis, die gerade in dieser extrem «kodifizierten» und ein grosses Hintergrundwissen voraussetzenden Musik zentral sind. Crivellaro gelingt es, diese Themenbereiche in übersichtlicher Darstellung anhand kommentierter, im Originalwortlaut und in deutscher Übersetzung vorliegender Quellen zu beleuchten und den aktuellen Forschungsstand knapp zusammenzufassen; die umfangreiche Bibliografie gibt darüber Auskunft und liefert Hinweise auf vertiefende Lektüre. Kurzporträts der 25 wichtigsten Komponisten (von Eustache du Caurroy bis Claude-Bénigne Balbastre) und ihrer Werke runden das Buch ab.

Da Crivellaro weitgehend auf «Wertung» der Quellen oder auf konkrete interpretatorische Hinweise zu einzelnen Werken verzichtet, entbindet sein Handbuch nicht davon, sich am Instrument in die Musik einzulesen, Dinge auszuprobieren und sich an diese Klangsprache buchstäblich «heranzutasten», legt aber für die stilistisch adäquate Auseinandersetzung mit diesem Repertoire ein hervorragendes Fundament, das sicher Massstäbe setzen und besonders nicht-französischsprachigen Lesenden – das Buch ist auch in einer englischen und einer italienischen Übersetzung erhältlich – von grösstem Nutzen sein wird.

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Paolo Crivellaro: Orgel & Interpretation – die französische Ecole classique, 358 S., € 45.95, Blockwerk Editiones, 2021, ISBN 978-3-9821872-0-4

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