Neue Sicht auf Szymanowskis Leben

Die Biografie, von Danuta Gwizdalanka auf Polnisch verfasst, ist auch auf Deutsch erschienen.

Villa Atma in Zakopane, wo Szymanowskis ab 1930 wohnte. Foto: David Conway/wikimedia commons

Die Literatur über den bedeutendsten polnischen Komponisten aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, Karol Szymanowski (1882–1937), ist in Buchform immer noch recht schmal. Jetzt liegt mit einer Neuerscheinung von Danuta Gwizdalanka erstmals eine umfangreiche Veröffentlichung vor. Sie wirft neues Licht auf die Biografie eines Musikers, der seine Homosexualität bis zum Lebensende vor seiner Mutter verbarg. Wie aus seinen Briefen hervorgeht, die von der Szymanowski-Spezialistin Teresa Chylińska herausgegeben wurden, bekannte der 27-jährige Komponist: «Mama ist meine erste und meine letzte Liebe.»

Mit «Leben mit der Familie» und ausführlichen Auskünften über die weit verzweigte Verwandtschaft beginnt die bescheiden illustrierte Biografie ebenso intim, wie sie endet. Aus dem Kapitel «Der Narziss und die Mimose» ist mehr Unbekanntes zu erfahren als etwa aus dem Werkkommentar zu den 12 Etüden op. 33, mit denen Szymanowski die Klaviermusik revolutionierte. «Der nach Huldigungen lechzende Künstler», wie die Autorin schreibt, der an «übersteigertem Ehrgeiz» und Neurasthenie litt, war nicht nur Kettenraucher, sondern auch Alkoholiker. Zu den Vorzügen des Buches gehört nebst sehr informativen Zitaten und detailreichen Einsichten in die Psyche des neurotischen Künstlers die Schilderung, welche Anregungen der Komponist seinen Reisen in den Süden, nach Paris, Wien, Berlin und in den Orient verdankt.

Als ob das EU-Land Polen nicht zu Europa gehören würde, erscheinen Szymanowskis Aufenthalte getrennt in den Kapiteln «In Europa» und «In Polen». Während «Der Nationalkünstler» breit gewürdigt wird, kommt die posthume Werkrezeption im Kapitel «Das Leben nach dem Leben» mit nur gerade zwei Druckseiten aus. Als Sterbeort nennt die Autorin «ein spezialisiertes Sanatorium in Lausanne», ohne zu präzisieren, dass es sich um die von Dr. Dufour geleitete Clinique du Signal handelte. Eine «Chronik von Leben und Werk» rundet zusammen mit einem Literaturverzeichnis und Personenregister die an vielen Wiederholungen leidende Publikation ab.

Anders als die Werbung behauptet, handelt es sich hier nicht um die «erste Szymanowski-Biografie in deutscher Sprache». Das Buch wurde polnisch geschrieben und von Peter Oliver Loew übersetzt, nachdem schon polnische Buchpublikationen von Stanisław Golachowski 1982 in Leipzig, 1983 in Krakau und 1986 die Anthologie Über Karol Szymanowski in Warschau in deutschen Übersetzungen veröffentlicht worden waren.

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Danuta Gwizdalanka: Der Verführer. Karol Szymanowski und seine Musik, Aus dem Polnischen übersetzt von Peter Oliver Loew, 292 S., € 27.10, Harrasowitz, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-447-10888-1

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