Zwischen Belletristik und Wissenschaft
Die neue Biografie von Barbara Meier bietet einen süffigen Erzählstil und sehr viele Originalzitate, zudem wertvolle Werkbeschreibungen.
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Eine Biografie zu Alban Berg, erschienen beim Wissenschaftsverlag Königshausen & Neumann, das lässt aufhorchen. Bis jetzt gehört der jung verstorbene Berg zu den in dieser Beziehung wenig beachteten Komponisten, geht doch die letzte, von Constantin Floros verfasste Lebensbeschreibung auf das Jahr 1992 zurück. Eigentlich erstaunlich, denn Werke wie das Violinkonzert oder die Oper Wozzeck gehören zum unverzichtbaren Standardrepertoire der Konzertwelt. Umso gespannter liest man das über 340 Seiten starke Lebensbild, das Barbara Meier verfasst hat.
Unvorbereitet auf Meiers Stil, ist man beim Einstieg in das Kapitel «Familienfoto» allerdings ziemlich irritiert: «Die Familie hat sich um den Mittagstisch versammelt, Conrad Berg, seine Frau Johanna, die Kinder Karl, Alban und Smaragda. […] Das Esszimmer, im neobarocken Stil eingerichtet, macht trotz der Überfülle an Dekor einen behaglichen Eindruck. […] Die Kinder sind gekleidet wie Erwachsene, die Brüder tragen Anzug und Krawatte, Smaragda ein Kleid mit üppigem Kragen […] Das Familienbild lässt nichts ahnen vom baldigen Untergang der österreichisch-ungarischen Monarchie.» So stellt man sich ein Wissenswerk nicht vor, zumal das zur Beschreibung passende Foto seltsamerweise nicht abgedruckt ist – Abbildungen sucht man sowieso vergeblich.
Meiers Schreibweise entpuppt sich also schnell als ziemlich ungewöhnlich, koppelt sie doch eine belletristische Art des Erzählens mit enormem Fachwissen. Sie bietet also kein romanhaftes Schwadronieren, sondern eine gut recherchierte Lektüre, die mit unzähligen Zitaten aus Briefen oder Artikeln gespickt ist und so die Vergangenheit in die Gegenwart holt. Diese Vorgehensweise ist sicherlich gewöhnungsbedürftig, besonders bei einem Komponisten des 20. Jahrhunderts, wird Wissenschaftlichkeit doch meist mit einem «trockenen» Stil verbunden. Hier haben wir dagegen eine Art «erzählte» Biografie, ein emotionales Vergegenwärtigen, das zuweilen etwas geschmäcklerisch wirkt. So schreibt die Autorin etwa nach der Begegnung Bergs mit Anny Askenase, der Frau des Pianisten Stefan Askenase: «Nach dem Abschied von Anny auf dem Brüsseler Bahnhof will der ‹Trennungsschmerz› nicht vergehen, doch trotz aller ‹Qualen und Schmerzen, ja Todesgedanken› spürt er eine ‹ungeahnte Erhöhung› seines ‹Lebensgefühls›.» Die Schulmusikerin Barbara Meier weiss offensichtlich, wie man das Lesepublikum packen kann.
Wertvoll sind die präzisen Beschreibungen der bergschen Musik. So werden die wichtigsten Werke kenntnisreich und gut verständlich vorgestellt und erläutert, allein der «Ikone» der modernen Oper, dem Wozzeck, widmet sie über 20 Buchseiten. Und als Epilog findet auch das von Friedrich Cerha ergänzte Fragment der Oper Lulu eine eingehende Betrachtung. Schade, fehlen im Anhang biografische Daten und ein Werkverzeichnis.
Barbara Meier: Alban Berg, Biographie, 346 S., € 36.00, Königshausen & Neumann, Würzburg 2018, ISBN 978-3-8260-6391-6