Tierisches Faksimile
Camille Saint-Saëns gab seinen «Carnaval des animaux» erst in seinem Testament frei. Nun ist ein Faksimile des Autografs erschienen.
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Was wäre die Musik ohne so manches tierische Vergnügen! Es muss ja nicht gerade ein Katzen-Duett oder Petruschkas Tanzbär sein – das ruft allenfalls die Ohren- oder Tierschützer auf den Plan. Einen viel feinsinnigeren Humor hatte Camille Saint-Saëns, als er 1886 während einer von musikalischem Chauvinismus begleiteten Konzertreise durch Deutschland und Böhmen seinen Carnaval des animaux niederschrieb. Ein musikalischer Spass, den er zu Lebzeiten mit wenigen Aufführungen nur im engsten Kreis teilte; allein der auf dem Violoncello zu singende «Schwan» durfte durch die Welt der grossbürgerlichen Salons gleiten. Erst mit seinem letzten Willen erteilte Saint-Saëns schliesslich die Freigabe des Werkes, das seither die Programme zahlreicher Kinderkonzerte füllt. Dass es ihm mit diesem Karneval aber durchaus ernst war, erschliesst sich dem Kenner: In drei Sätzen geht es bekannten Melodien an den Kragen (Rossini, Berlioz, Offenbach), doch auch an «Persönlichkeiten mit langen Ohren» wurde gedacht – wem fällt dazu nicht Mozarts schönes Bonmot ein …
Das Autograf, das nun als grossformatiges (30 x 36.6 cm) Faksimile erschienen ist, zeigt sich diesem trefflichen Humor gegenüber erstaunlich neutral: grosszügig und mit zahlreichen Abbreviaturen geschrieben, kaum Korrekturen, keine weiterführenden Eintragungen, dafür mit einzelnen einfachen Zeichnungen. Ein seltsamer Spagat, der dank einer vorbildlichen und vorbildlich gestalteten Ausgabe nun in aller Hände liegen kann. Nicht nur zu Weihnachten ein tierisch gutes Geschenk.
Camille Saint-Saëns: Le Carnaval des animaux. Fac-similé du manuscript autographe (= de main de maître 2), présenté par Marie-Gabrielle Soret, 192 S., € 200.00, Brepols Publishers, Turnhout 2018, ISBN 978-2-503-58122-4