Schweizer Lieder und Tänze aus der Romantik
Die Zentralbibliothek Solothurn hat die Lieder und Instrumentalwerke des blinden Wandermusikers Alois Glutz von Blotzheim herausgegeben.
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Im Historischen Lexikon der Schweiz erinnern nur wenige Zeilen an den Solothurner Komponisten Alois Franz Peter Glutz von Blotzheim (1789–1827). Aber um den als Kind erblindeten Liedermacher aus der Beethovenzeit ranken sich allerlei Anekdoten. So soll dieser begüterte Musiker wiederholt grosse Mengen von Haferbrei an bedürftige Landsleute verteilt haben. Der Wahrheit entspricht, dass es sich der Patriziersohn leisten konnte, einen musikbegabten Blindenführer auf seine Streifzüge von Dorf zu Dorf mitzunehmen. Ludwig Rotschi, der künftige Musiklehrer am Kollegium und Musikdirektor in Solothurn, begleitete Alois Glutz während Jahren weit herum, einmal bis nach Schwyz, wo der Wandermusiker ein halbes Jahr nach Ludwig van Beethoven «auf der Durchreise» (wie es im Sterberegister heisst) verschied. Rotschi notierte die von Glutz getexteten und vertonten Lieder und unterstützte den sehbehinderten Komponisten auch bei deren Publikation.
Diese Lieder im Volkston, die sich mit den gleichzeitigen Neuschöpfungen des Künstlerpaares Gottlieb Jakob Kuhn und Ferdinand Fürchtegott Huber vergleichen lassen und die manchmal an einen berühmten Zeitgenossen, Franz Schubert, erinnern, leben in der Sammlung Im Röseligarte (1908–1925), ja, sogar in Schulgesangbüchern unserer Zeit weiter. Oft wird vergessen, dass das noch heute beliebte Volkslied Morge früeh, eh d’Sunne lacht auf Alois Glutz zurückgeht.
Es erstaunt, dass das Werk des zu Lebzeiten weit herum bekannten Strassenmusikers mit der Gitarre am Rücken und dem Flageolett im Sack, der auch für Flöte, Gitarre und fürs Fortepiano komponierte, erst vor Kurzem in einer dreibändigen Ausgabe greifbar geworden ist. Verena Bider, die scheidende Direktorin der Zentralbibliothek Solothurn, hat die Bestandesaufnahme der Lieder und Instrumentalwerke angeregt. Es ist aber vor allem der vielseitige Bibliothekar Christoph Greuter, dem die für den praktischen Gebrauch eingerichteten Hefte zu danken sind. Als an der Schola Cantorum Basiliensis geschulter Lautenist, Berufsgitarrist und in Musikeditionen erfahrener Mitarbeiter kann Greuter eine Sammlung aller auffindbaren Werke von Alois Glutz von Blotzheim vorlegen.
Die eben erschienenen Musikalien bereichern das Repertoire von schweizerischen Volksliedern und die Literatur für das gehobene Liebhabermusizieren. Die Lieder und Tänze fordern aber auch Musikologen zu Analysen und Vergleichen auf. Die vorliegende Neuausgabe weist zudem auf fehlende Stimmen und Werke hin und kann als fortgeschrittene Vorarbeit zu einer künftigen Gesamtausgabe bezeichnet werden. Einstweilen darf man sich über einen aus der Vergessenheit befreiten Schatz freuen und sich beim Spielen und Singen an eine liebenswerte schweizerische Musikerpersönlichkeit der Romantik erinnern.
Alois Franz Peter Glutz von Blotzheim: Lieder und Instrumentalmusik, hg. von Christoph Greuter, (Musik aus der Zentralbibliothek Solothurn, Heft 9), Heft I: M&S 2399, Heft II: M&S 2451,Heft III: M&S 2452, je Fr. 32.00, Müller & Schade, Bern 2017