Glücksmomente – lesend wie spielend
Wie erwerben Musiker, Profis und Laien, ihre Fähigkeiten? Welche Lernwege sind erfolgreich, welche weniger. Warum bleiben einige Spieler bei ihrem Instrument, andere nicht? Ein Sammelband erkundet dieses vielschichtige Gebiet.
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Es ist so leicht daher gesagt: Musik macht schlau, Musik ist wichtig, Musik muss sein. Doch warum ist das so? Und vor allem: Wie kann es gelingen, dass aktives Musizieren zum steten Lebensbegleiter wird, dass es nicht verstummt in jenen Zeiten, wo das «Weltliche» offenbar wichtiger wird als tägliches Üben am Instrument? Das Kompendium Quellen des Musizierens gibt Antworten, sogar viele Antworten auf viele Fragen. Wohl selten gab es eine Aufsatzsammlung, die so konsistent und zugleich so abwechslungsreich ganz zentrale Fragen der Instrumental- und Gesangspädagogik behandelt. Sowohl für Eltern wie auch für den Instrumentallehrer sind die 212 Seiten ein Muss.
So etwas wie Grundregeln des Instrumentalunterrichts sind aufgrund verschiedener Persönlichkeitsprofile und je individueller Entwicklungsverläufe nicht unbedingt zu erwarten. Dennoch schälen sich bei der Lektüre handfeste Richtlinien, durchaus auch absolute No-Gos, heraus. Eminent wichtig, kaum zu überschätzen, ist die Unterstützung einer intrinsischen Motivation des Kindes, während äusserlicher Leistungsdruck kaum ein fruchtbarer Humus ist, auf dem kindliche Leidenschaften erblühen. Ein besonders neuralgischer Punkt ist das Verhältnis von Instrumentallehrer und einem Elternhaus, das – wie so oft – bemüht ist, aber Fehler macht. Michaela Schwarzbauer widmet sich in ihrem Aufsatz «Elternteil UND Lehrender» der wichtigen Frage, wie eine Unterstützung des Lehrers zu Hause funktioniert. Neben theoretischen Erörterungen bringt ein Interview mit dem professionellen Geiger Benjamin Schmid die Frage auf den Punkt. Schmid sagt: «Der Lehrer muss eine Langzeitstrategie haben und hat für die Arbeit mit kleinen Kindern die grössere Erfahrung, weiss, wie ein Lehrplan für eine Saison oder ein Jahr aussehen kann. Die Lehrer meiner Kinder kennen viele wirklich gute Übungen und Literatur für Kinder, sie verfügen hier über ein Wissen, das ich selbst nicht habe. (…) Das Eltern- und Lehrerverhältnis zu sehr zu vermischen, finde ich nicht ungefährlich.» (S. 30)
Neben solchen praktischen Tipps bietet der Sammelband spannende Hintergrundinformationen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Instrument erlernt und über einen längeren Zeitraum gespielt wird, erhöht sich, sofern das häusliche Musizieren Usus ist, das heisst, sofern Musik in der Familie ein fester Bestandteil ist. Erstaunlich sind die Zahlen, die Erik Esterbauer bietet in seinem Aufsatz «Musik fängt im Menschen an». Je früher mit einem Instrument begonnen wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man bei der Stange respektive an den Tasten oder Saiten bleibt. Esterbauer beruft sich auf eine Studie der Society of Music Merchants e. V. von 2012 und schreibt: «Nur 7,4 Prozent der Kinder, die zwischen drei und fünf Jahren mit dem Musizieren begonnen haben, hören irgendwann wieder auf. Bei den unter Dreijährigen liegt der Anteil der Abbrecher sogar bei nur 0,3 Prozent.» (S. 129)
Das so aufschlussreiche Buch Quellen des Musizierens kann natürlich keine Trendwende einläuten und ist auf einen (offenbar immer kleiner werdenden) Kreis von aktiv Musikausübenden beschränkt. Sehnlichst wünschen würde man sich aber eine unentgeltliche Verteilung des Bandes zur Einschulung der Kinder. Kaum entziehen kann man sich den so schönen Beschreibungen von erfüllenden Glücksmomenten, die in dieser Form nur das aktive Musizieren bietet.
Quellen des Musizierens. Das wechselseitige Verhältnis von Musik und Pädagogik, hg. von Martin Losert, üben & musizieren UM 5020, 212 S., € 22.95, Schott, Mainz 2017, ISBN 978-3-7957-1252-5