Wagner – und kein Ende
Kleine Nachlese zum Jubiläumsjahr mit einem erfreulich respektlosen Buch und einem Quiz für Verächter – oder doch Fans? – des Komponisten.
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Erfrischend wirkt es, dass am Ende des Wagner-Jahres die kleinen Nebensächlichkeiten nachgereicht worden sind, welche zuvor keine Chance gehabt hätten, den Hund hinter dem Ofen hervorzulocken, weil im Jubeljahr meist nur die grossen Publikationen beredt und beschrieben wurden.
Endlich gibt es jetzt also Den kleinen Wagnerianer, gesammelte Aperçues, gescheit gruppiert, sprachlich modern formuliert und oft erfreulich respektlos kommentiert, so dass die Lektüre selbst dem Fortgeschrittenen noch Spass bereiten kann, dem Anfänger aber unterschiedliche Zugänge offeriert. Wenn Lohengrin für die spezielle Situation vor 1945 als «Sättigungsbeilage vaterländischer Gesinnung» bezeichnet wird oder Wagners Bettelbriefe erwähnt werden, die «ihm dazu dienen, die Tiefe seiner Zerknirschung zu ornamentieren», so freut man sich einmal an der intellektuellen Hemdsärmeligkeit und bereitet sich darauf vor, den Kapiteln, die mit schwererem Geschütz aufwarten, die ganze Aufmerksamkeit zu widmen.
Ob aber auch Anfänger den detaillierten Nacherzählungen der grossen Musikdramen folgen können, wie sie im zweiten Teil des Buches angelegt sind, auch wenn sie nicht den Klavierauszug oder die Partitur vor sich haben? Die Verweise auf die überraschenden Übereinstimmungen mit biblischem Personal in den Meistersingern oder die tiefreichenden Erklärungen zum wagnerschen Erlösungswerk Parsifal lassen sich immerhin noch anhand der Libretti nachprüfen. Merkwürdig ist bloss, dass man dann doch die Bemühungen um die Anfänger desavouiert sieht, wenn gesagt wird, Wagners Gesamtkunstwerk sei letzten Endes immun «gegen die Waffen der Vermittlungsindustrie». Die Einsicht, dass man sich um ein neues und junges Publikum kümmern muss, ist aber vorhanden; Autor und Autorin kämpfen mit genau diesen Waffen ziemlich erfolgreich gegen «Schwellenängste».
Enrik Lauer, Regine Müller, Der kleine Wagnerianer. Zehn Lektionen für Anfänger und Fortgeschrittene, 261 S., 11 Tuschzeichnunge, geb., € 17.95, C. H. Beck, München 2013, ISBN 978-3-406-64110-7
Die Zielgruppe für das Wagner-Quiz aus dem Grupello-Verlag kann hingegen nicht genau definiert werden, denn auf die 100 Fragen können sich wohl nur Fortgeschrittene einlassen. Ausser der Frage nach dem Geburtsjahr 1813 wäre von einem Anfänger wohl keine weitere richtig zu beantworten – und erraten liessen sich die Antworten auch nicht. Das Zielgruppendilemma wird dadurch noch verstärkt, dass die Wagner-Eingeweihten sich kaum zu einem solchen Spiel herablassen würden. Deshalb kann man daraus nur einen Schluss ziehen: Das Wagner-Quiz wendet sich am erfolgreichsten an Wagner-Verächter, die dann jede Bestätigung für ihre Vorurteile erhalten und sich an den kleinlichsten Dingen delektieren können. Vielleicht aber gibt es doch noch welche, die ohne Vorbehalt, aber auch ohne spezielles Interesse an Wagner herangehen können und dann die Frage «Welcher berühmte Wagnertenor übernachtet während seines Engagements in seinem Campingwagen?» als recht informativ bezeichnen würden. Auch die Frage, wer denn am 7. Juli 1853 auf der Rütli-Wiese von Wagner und Liszt das Du angetragen bekam, würde bei ihnen keine Weltuntergangs-Stimmung auslösen, weil Georg Herwegh, um den es hier geht, den Satz «Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will» geboren hat. Wenn sie’s gewusst hätten, empfänden sie Genugtuung darüber, dass soviel kulturgeschichtliche Intim-Kenntnisse dem Wagner-Immunen zur Verfügung stand. Ich kann Ihnen aber versprechen, dass es uns «kleinen Wagnerianern» viel Spass bereiten kann, den hundert Antworten nachträglich nachzugehen, um das Wissen etwas zu erweitern.
Dorita Kinzler und Rainer Hüttenhain, Richard-Wagner-Quiz, 103 Kärtchen im Schmuckkästchen, € 10.90, Grupello-Verlag, Düsseldorf 2013, ISBN 978-3-89978-181-6